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Die Sache mit den verschiedenen Figuren und Plots

Dieser Artikel gehört zum Wortkompass-Schreibkurs 2017.

Als Erstes: Jede Geschichte hat einen Protagonisten.

Das klingt vielleicht irritierend, wenn man an Geschichten denkt – oft solche mit Liebespaar –, die zwei wichtige Figuren haben. Doch auch wenn sie für euch im Herzen gleichrangig sind, so funktioniert es für den Plot nicht.

Am Anfang wird eine Figur vorgestellt: der Protagonist. Seine Welt und seine Probleme werden erzählt. Der Protagonist ist derjenige, dessen Leiden wir mitbekommen, der sich für die rote oder blaue Pille entscheiden muss, der vom Antagonisten gepiesackt wird, der am Ende die Wendung herbeiführt und das Konflikt löst.

In der Geschichte dieses Protagonisten agieren jedoch noch andere Personen, zum Beispiel der Antagonist, der die Ziele des Protagonisten vereitelt, oder der Deuteragonist, der fälschlicherweise „zweiter Prota“ genannt wird. Es ist wichtig, diese Figuren in ihrer Funktion zu unterscheiden, damit ihr feststellen könnt, ob ihr tatsächlich zwei Protagonisten rumhüpfen habt, ob sich zwei Figuren eine Protagonistenrolle teilen oder ob es eigentlich Protagonist und Deuteragonist sind.[spacer height=”20px”]

Es kann vorkommen, dass die Rolle des Protagonisten von mehreren gleichwertigen Figuren besetzt wird. Betrachten wir den Roman Das doppelte Lottchen, agieren die beiden Mädchen als ein Protagonist mit einem Ziel: Die Familie wieder zusammenzubringen. Die beiden Figuren haben zwar ihren eigenen Kopf und ihren eigenen Hintergrund, aber darum geht es in diesem Plot nicht. Ähnlich auch bei anderen Kinder- und Jugendbücher wie die drei Fragezeichen, die verwegenen Vier oder den fünf Freunden haben die einzelnen Figuren einen individuellen Charakter – oft Stereotyp –, doch innerhalb des Hauptplots agieren sie gemeinsam. Wenn sie es nicht tun, wenn einer zu stark wird und seinen eigenen Willen durchsetzen möchte, zerbricht die Gruppe und die Geschichte. Das haben wir schon bei Take That gelernt.

Macht euch deshalb bewusst, wessen Geschichte ihr erzählen wollt. Ist es die Geschichte von der Boygroup, die irgendwie bestehen will? Ist es die Geschichte von Robbie Williams, der im antagonistischen Korsett des Plattenvertrags fast erstickt und sein eigenes Ding durchziehen will? Ist es der Leadsänger Gary Barlow, der die Band „gegründet“ hat und von dem Antagonisten Robbie William so stark diffamiert wurde, dass ihm keine Solokarriere möglich war und er untertauchen musste?

Jede Figur kann eine ausgearbeitete Charakterentwicklung und einen Plot haben, aber wenn ihr einen Roman schreibt, legt ihr euch auf einen Protagonisten fest. Die anderen Figuren nehmen als beeinflussende Figuren (impact characters) die Rolle des Antagonisten, Deuteragonisten, Tritagonisten oder anderer Nebenfiguren ein. Deuteragonist könnte zum Beispiel der Liebespartner oder der beste Freund sein. Sie stehen an der Seite unseres Protagonisten, haben manchmal eine beratende Mentorenfunktion, manchmal sind sie etwas fies und antagonistisch, manchmal erwecken sie im Protagonisten neue Bedürfnisse, die ihm das Leben zusätzlich schwer machen.

Die Geschichte der beeinflussenden Figuren kann, muss aber nicht im Roman erwähnt werden. Denn ihre Funktion ist als Erstes, den Protagonisten und dessen Hauptplot zu unterstützten. Genauso wie Schwächen und Lügen, Motivation und Bedürfnisse auf den Protagonisten einwirken, tun es auch diese Figuren. Die beeinflussenden Figuren treiben den Protagonisten an, damit dieser um das Ziel kämpft.[spacer height=”20px”]

Die beeinflussenden Figuren und dessen Plots beeinflussen den Protagonisten. Sie haben dieselbe Funktion wie die innen und äußeren Einflüsse.

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In der Aufgabe #5 haben wir die inneren und äußeren Einflüsse auf deren Wirkung auf die Handlung überprüft, in dieser Aufgabe tun wir dasselbe mit den beeinflussenden Figuren.

Dafür müsst ihr euch bewusst werden, welche Figuren ihr in eurem Cast habt, welche Funktion sie erfüllen und wie stark deren Geschichte eingebracht werden soll. Die Figuren „Antagonist“ und „Mentor“ habt ihr in dem Schema der letzten Aufgabe bereits eingetragen. Überlegt euch gut, was ihr mit den Figuren machen wollt: Wenn diese plötzlich am Himmel erscheinen, nur um dem Protagonisten einen Schubser zu geben und wieder zu verschwinden, wirkt es zufällig und unüberlegt. Wenn ihr die gesamte Geschichte der untergeordneten Figur mit allen Details einbringt, stellt es den Protagonisten in den Schatten.

Bei der Geschichte um Gerd-Uwe gibt es die Figur „Tochter Liselotte“. Liselotte wohnt noch bei ihm zu Hause, weshalb sie sich immer wieder begegnen. Sie könnte nur ein Statist sein, damit der Roman nicht so leer erscheint und etwas Atmosphäre bekommt. Sie kann aber auch Einfluss auf den Hauptplot nehmen.

Liselotte  bekommt einen Brief von der Akademie: Aufnahmeprüfung bestanden. Für sie kann die Zukunft als Tänzerin beginnen. Gerd-Uwe jedoch, der auf Künstler spuckt, hat nun seine persönliche Schwäche live vor sich. Irgendeinen fremden Subventionen-Abgreifer-Künstler könnte er einfach in den Hintern treten, um weiter in seiner Lüge zu leben … aber nun ist es seine eigene Tochter, die er verlieren könnte.

Liselotte hat ihren eigenen Plot. Ihr auslösendes Moment ist der Brief von der Schule – nein, ich hab nicht von Harry Potter abgeguckt. Ihre Zielsetzung, Tänzerin zu werden, ist der Pinch von Gerd-Uwes Hauptplot. Subplots haben die Funktion, die Konflikte des Hauptplots zu verstärken. Es ist daher unwichtig, aus Liselottes Perspektive ihre Trainingsstunden in der Tanzakademie zu beschreiben. Ihr Plot ist nur ein Subplot.

Subplot? Und wo ist da der Unterschied zu Nebenplot?

Der Subplot hat direkt mit dem Protagonisten zu tun, er streut mehr Konflikte in den Hauptplot. Ein Nebenplot läuft neben der Geschichte; der Protagonist spürt keinerlei Auswirkungen. Nebenplots erhöhen die Spannung, weil der Leser mehr weiß als die Figur. Der Leser kann zum Beispiel dem Antagonisten über die Schulter schauen, während dieser eine blutrünstige Falle für den Protagonisten vorbereitet.

Aufgabe:

  • Welche Figuren spielen in dem Roman mit und welche Funktion besitzen sie?
  • Überprüft, ob der Protagonist seine Plotpunkte allein bewältigt. „Beeinflussende Figuren“ beeinflussen nur. Sie übernehmen nicht die Konflikte und die Lösung. Passt daher besonders gut auf, dass die Plotpunkte von der Nebenfigur nicht in den in den Hauptplot rutschen.
  • An welcher Stelle wirken die beeinflussenden Figuren mit ihren Subplot auf den Hauptplot? (ähnliche Aufgabe wie bei #5, weshalb ihr diesen Punkt schon halb beantwortet habt)
  • Ratet, wie oft das Wort „Einfluss“ mit allen Varianten in diesem Text vorkommt.
  • Schafft euch eine Übersicht, wer wie wann was macht.
Beispiel

Dieser schwarze Hauptplot hat zwei Subplots und einen Nebenplot. Die grüne Figur hat eine starke eigenständige Geschichte, dennoch findet die Entwicklung recht parallel zum Haupplot statt. Vielleicht ist Grünie der Partner und die Sternenkonflikte an den Wendepunkten sind die Beziehungsstreits.

Der orangene Subplot ist er mit dem Wendepunkt entstanden. Vielleicht hat der Protagonist während des ersten Konflikts mit Grünie wieder mit dem Rauchen (oder mit einer Affäre) angefangen. Dieser Plot begleitet eine Weile durch den Midpoint, wird aber dann geklärt.

Der blaue Nebenplot läuft nebenher, ohne dass der Protagonist etwas davon mitbekommt. Erst am Ende macht er dem Prota das Leben schwer. Wenn er aber erst am Ende auftaucht, fragt sich der Leser, woher Blau-Antagonist plötzlich kommt. So wurde in der ersten Hälfte ein Cut im Haupt-Erzählstrang gemacht und in der Antagonistenperspektive geschrieben. Ob es eine gute Lösung ist?

Diese Übersicht wird für eure Ordnung nützlich sein. Ihr könnt anhand dessen selbst urteilen, ob der Hauptplot zur Geltung kommt, ob die Subplots für mehr Spannung und Konflikte sorgen oder mehr verwirren, ob alle Handlungsstränge ein Ende finden (werdet euch bewusst, welche sich über mehrere Bände ziehen), ob die Sub- und Nebenplots gut eingebunden sind oder für den Leser zu plötzlich auftauchen.

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