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Korrekturen – Texttötungsmaschinerie

Fremdtexte – also Texte, die nicht ich, sondern Ihr geschrieben habt und mir im Vertrauen reicht, um Anmerkungen, Korrekturen oder einfach nur weitere Inspiration zu bekommen – nehme ich immer gern an. Das soll kein Aufruf sein! Es ist schlicht eine Tatsache, denn ich lese gern fremde Texte, da man viel über den Autor selbst, aber auch rein faktisches Wissen erfährt und somit seinen Horizont erweitert. Im günstigsten Fall beruht die Horizonterweiterung auf Gegenseitigkeit.

Aber, den Text eines anderen Autors zu lesen und seine eigenen Gedanken dazuzuschreiben, empfinde ich als eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Ich kenne den Autoren nicht, der mir seinen Text in die Hand drückt. Ist er sensibel? Extrovertiert? Hat er ein Gemüt wie ein flatternder Kolibri oder wie ein stoisches Kamel? Ist es sein Herzensprojekt?

Die meisten Geschichten, die ich bisher gelesen habe, mag ich sehr gern. Liegt es daran, dass ich den Autor etwas besser kenne, weil er im Wortkompass einen kleinen Teil seiner Persönlichkeit hinterlässt? Hinzu kommt, die wenigsten von uns sind Germanisten oder Linguisten und verdienen sich Ihr Geld als professionelle Textzerpflücker. Wenn ich eine linguistische Anmerkung mache, muss ich sehr tief in meinem Wissen kramen, um erklären zu können, wieso ich diese Satzstellung ungünstig finde und jene treffender. Oder ist es doch nur mein Geschmack?

Je mehr Anmerkungen ich mache, desto mehr denke ich, dass ich meinem Gegenüber meinen Stil aufzwinge. Ich mag kurze Sätze, wenig Beschreibung. Tatsächlich finde ich Beschreibungen langweilig, wenn sie nichts zur Sache beitragen. Viele Dialoge mögen in meinen Ohren hölzern klingen, aber ich bin kein Maßstab dafür. Selbst wenn sich reale Menschen unterhalten, denke ich manchmal „**** *** ****“. Aber in der U-Bahn zücke ich auch keinen Rotstift und kringle meine Mitfahrgäste ein.


Gleichzeitig bekomme ich mit der Fremdtextaushändigung den Auftrag: „Streich alles an, was Dir auffällt. Sei gnadenlos! Ich kann eine Menge aushalten.“

Hm. Gnadenlos also. *Speer anspitz, Säbel wetz* Jedes Wort mit Argusaugen betrachtend, denke ich mir: „Was um Himmels willen mache ich nun mit dieser Aufforderung? Ich will den Text nicht töten.“ Ich kann Dir Wortwiederholungen anstreichen, das könnte sinnvoll sein. Ich kann Dir reine wissensspezifische Anmerkungen geben, à la: „Das was Du als Fjord bezeichnest, ist eigentlich eine Bucht.“ Sofern ich sie erkenne, zeige ich Dir unlogische Aussagen oder Widersprüche.

Und ja, ich bin auch total offen und ehrlich dabei. Ich erwähne es, weil das ein Einstellungskriterium für Testleser zu sein scheint. Mal abgesehen davon, was hätte ich davon, wenn ich Euch anlüge?

Rein sprachliche Korrekturen … puh. Das würde ich dann gern einer Fachkraft überlassen, die den Text hoffnungsweise nicht totkorrigiert.

Wie geht Ihr mit Fremdtexten um? Was sind Eure Erfahrungen?
Wo seht Ihr Eure Grenzen und was traut Ihr Euch zu?
Was sind generell Eure Gedanken zu diesem Thema?

weltatlas.

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