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Die äußeren Merkmale der Perspektivfigur

Heute mit Gastdrillsergeant Käsefuß!

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Viele Leser wollen ein Bild der Figur vor Augen haben. Um ihnen dabei zu helfen, sollten wir ihnen also möglichst früh in der Geschichte eine äußere Beschreibung geben, wie sie sich die Figur vorstellen können. Oft begleiten wir den Protagonisten jedoch ganz eng und erleben die Welt dabei durch seine Perspektive. Wie aber erklären wir dem Leser, wie diese Perspektivfigur aussieht, wenn wir in ihr stecken?

[spacer height=“20px“] Sgt Käsefuß: Was ist daran so schwer?

Ankh: Äh, was?

Sgt Käsefuß: Ich meine, was ist so schwer daran, mich zu beschreiben, wenn du in mir steckst?

Ankh: Ich meinte eigentlich, wie würdest du dich in einer Geschichte über dich selbst beschreiben?

Sgt Käsefuß: Na wie schon? Ich würde dem Leser einfach sagen: „Ich bin ’ne coole Socke mit weißen Puschelhaaren und großen Kulleraugen.“

Ankh: Also auf eine Geschichte mit menschlichen Protagonisten übertragen so etwa?

Hi, ich bin Elaine, 19 Jahre alt, schlank, mit langen braunen Locken und braunen Augen. Dies ist meine Geschichte.

Okay. Aber irgendwo haben wir mal gelernt: „show, don‘t tell!“ Anstatt dem Leser zu erzählen, wie Elaine aussieht, sollten wir ihr Aussehen doch lieber irgendwie in die Handlung einbinden.

Sgt Käsefuß: Na gut. Dann packen wir unsere Protagonistin unter den Armen, schleifen sie vor den nächsten Spiegel und lassen sie sich eingehend betrachten:

Ich drehe mich vor dem Spiegel. Das Kleid betont meine schlanke Figur, das gelbe Seidentuch passt gut zu meinen schulterlangen braunen Locken, und meine braunen Augen verberge ich unter einer großen Sonnenbrille. Ja, Elaine, so kannst du vor die Tür gehen.

Ankh: Schon besser. Mal abgesehen davon, dass schon etwa 100.000 andere Autoren vor uns auf die Spiegelidee gekommen sind, und die Sache daher etwas abgelutscht ist.

Sgt Käsefuß: Also weg mit dem Spiegel, versuchen wir ihre Haare und Augen in einem anderen Kontext vorzustellen:

Ich beuge mich vor, sauge am Strohhalm meiner Diät-Eisschokolade und drehe verspielt eine meiner braunen Locken um den Finger, während ich ihn mit meinen großen braunen Augen erwartungsvoll ansehe.
„Elaine …“, beginnt er verzweifelt.

Ankh: Halt. Das klingt zwar auf den ersten Blick ganz nett, aber unser Hauptanliegen ist immer noch, dass die Erzählerstimme natürlich klingt. Wer aber denkt wirklich über seine eigene Augenfarbe nach, während er seinem Schwarm tief in die Augen sieht? Diese Information ist immer noch ziemlich künstlich hier herein gezwängt. Versuchen wir es mal anders:

„Elaine!“ Meine Schwester rupft genervt ein riesiges Knäuel brauner Haare aus ihrer Bürste und hält sie mir anklagend unter die Nase. Das sind definitiv meine, denn Tiffany hat im Gegensatz zu mir ganz glatte kurze blonde Haare.
Außerdem hat sie die schöneren Augen, klares Kornblumenblau statt meinem langweiligen Braun. Dafür wiegt sie dreißig Kilo mehr als ich, also klaut sie mir wenigstens nicht ständig meine Klamotten.
Sgt Käsefuß: Die Perspektivfigur sich mit jemandem vergleichen zu lassen, ist eine clevere Idee! Durch die Aufzählung von Unterschieden oder Gemeinsamkeiten erweckst du den Anschein, dass es eigentlich um die andere Figur geht, jubelst dem Leser aber gleichzeitig ganz durchtrieben die Merkmale der Perspektivfigur mit unter.

Ankh: Ich mag es, wenn du mich durchtrieben nennst … Aber eine Szene sollte ja eigentlich auch noch einen Zweck erfüllen, wie zum Beispiel die Handlung voranzutreiben. Hier könnten wir sagen, dass die Szene nicht nur Elaines Aussehen vorstellt, sondern auch noch ihre Schwester, und die nicht immer ganz harmonische Beziehung zwischen den beiden. Trotzdem, durch die Aufzählung kann es schnell wirken, als ob wir die Szene nur geschrieben haben, damit Elaines Haare irgendeine tragende, wenn auch kurze Rolle in der Geschichte spielen, um ihre Erwähnung zu rechtfertigen. Vor allem, wenn Elaines Beziehung zu ihrer Schwester in der weiteren Geschichte überhaupt keine Rolle spielt, ist diese Beschreibung noch nicht ideal.

Sgt Käsefuß: Aber was sollen ich denn machen, wenn Elaines Augenfarbe für die Geschichte nun mal überhaupt keine Rolle spielt?!

Ankh: Hm. Eine radikale Möglichkeit wäre: Wenn die Augenfarbe für die Geschichte keine Rolle spielt, dann muss sie auch nicht erwähnt werden. Wie wichtig ist es überhaupt, dass Elaine braune Augen hat statt blaue? Wäre es so schlimm, wenn der Leser sich mangels Information einfach vorstellt, sie hätte grüne?

Sgt Käsefuß: Aber der Leser braucht ein Bild! Hast du selber gesagt.

Ankh: Mal abgesehen davon, dass das nicht für jeden Leser gilt – ich zum Beispiel brauche das nicht – hast du recht. Im Zweifelsfalle geben wir lieber dem Leser ein Bild mit, der keins braucht, als alle die, die eines wollen, im Nebel stehen zu lassen. Aber dieses Bild muss ja nicht immer generisch aus Haar- und Augenfarbe bestehen. Während hüftlange grüne Haare einen Aufwand erfordern bzw. ein Aufsehen erregen, die sich sicher irgendwo in einen Nebensatz einschmuggeln lassen:

 … Mist, ich muss schon wieder eine Packung Directions Alpine Green bestellen, ich verbrauche bei jedem Färben zwei Töpfchen …

lohnt es sich darüber nachzudenken, welche anderen Merkmale an unserer Perspektivfigur auffallen könnten, wenn Augen- und Haarfarbe nicht sonderlich außergewöhnlich sind:

Endlich habe ich es geschafft, den Plastikfuß in die Sandalette zu zwängen, stehe auf und gehe prüfend ein paar Schritte. Das Sommerkleid verhüllt meine Beinprothese nur bis zum Knie. Bin gespannt, wie er drauf reagiert.

Und wenn die Figur keine wirklich außergewöhnlichen Merkmale hat, dann gibt es vielleicht irgendetwas, auf das sie sich völlig grundlos fixiert:

Ich muss auf dem Klassenfoto ganz hinten bei den Jungs stehen, und selbst die überrage ich noch um einen halben Kopf. Ich knicke unauffällig ein bisschen die Knie ein, damit ich später auf dem Bild nicht wieder heraussteche wie eine Giraffe.

Sgt Käsefuß: Urgh! Aber bitte kein an den Haaren herbeigezogenes Gejammer über die schrecklichen Nachteile, die die Protagonistin aufgrund ihrer von Geburt an regenbogenfarbenen Haarsträhne zu erleiden hat. Erstens kann niemand jammernde Protagonisten ausstehen, und zweitens, wenn es dich so sehr stört, liebe Protagonistin, dann tu was dagegen! So teuer sind diese Haarfärbetöpfchen auch nicht.

Ankh: Wenn dir auch dazu nichts Erwähnenswertes einfällt, solltest du vielleicht nochmal dein Charakterkonzept zur Hand nehmen. Was ist an dieser Figur überhaupt so interessant, dass ein Leser ihre Geschichte hören will? Was unterscheidet sie auf den ersten Blick von 100.000 anderen Protagonistinnen?

Ich weiß auch nicht; jedes Mal, wenn ich mich in der Straßenbahn mit meiner Sockenpuppe unterhalte, starren mich alle in der Umgebung entgeistert an. Aber das ist mir egal. Mit Sgt Käsefuß führe ich immer die interessantesten Unterhaltungen.

Sgt Käsefuß: Siehst du, das Beste sind immer noch Geschichten mit Sockenpuppen. Da kann man nichts falsch machen. Aber falls die Autoren noch nicht bereit dafür sind: Welche unserer anderen Beispiele sind denn nun okay?

Ankh: Alle der vorgenannten Beispiele sind möglich. Nichts ist verboten. Wenn dir etwas ansprechend vorkommt, dann schreibe es, auch wenn es den 100.001en Spiegel beinhaltet. Es ist deine Geschichte und dein Stil. Aber es gibt eben Wege, den Leser mit der Nase auf etwas zu drücken, und Wege, das Ganze so elegant zu verpacken, dass ihm gar nicht bewusst wird, dass du ihm eben ein paar Details über deine Figur untergejubelt hast. Je weniger dein Leser darüber nachdenkt, wie du etwas machst, desto tiefer hast du ihn bereits in die Geschichte hineingezogen.

Sgt Käsefuß: Das klingt doch schon ermutigend. Es gibt aber auch noch ein paar andere Tricks, oder? Zum Beispiel der Perspektivwechsel. Wenn du die Figur nicht aus der Ich-Perspektive beschreiben kannst, dann entdecke sie durch die Augen einer anderen Figur. Klappt natürlich nur, wenn du eine andere Perspektive in der Geschichte hast, die du nicht nur extra dafür erfunden hast, damit jemand Elaine beglotzen kann.

Ankh: Übertreib es auch nicht mit den Beschreibungen. Niemand möchte zwei Seiten Beschreibung lesen bis hin zum Muster der Socken deiner Figur – sofern deine Figur nicht größtenteils aus einer Socke besteht. Um mit möglichst wenigen Worten ein gutes Bild zu erzeugen, sollte man sich am besten auf Merkmale konzentrieren, die die Figur am deutlichsten von anderen abhebt. Meine Nichte erzählte ihrer Mutter beispielsweise tagelang von ihrer neuen Freundin im Kindergarten: Von der Farbe ihres Kleides, ihrer Frisur, den Haarspängerchen … Ihre Mama hielt jedes Mal beim Abholen Ausschau nach einem Mädchen, auf das diese Beschreibungen passen, fand sie aber im Gewusel nie. Bis ihre Tochter ihr die Freundin endlich vorstellte und sie feststellte, dass sie das einzige dunkelhäutige Mädchen im Kindergarten war.

Sgt Käsefuß: Hihi! Das hätte sie wirklich einfacher haben können. Gut finde ich auch, wenn nicht das Merkmal selbst beschrieben wird, sondern die Auswirkungen davon, sodass sich der Leser den Grund selbst zusammenpuzzeln muss: Eine Figur, die sich jedes Mal unter Türen duckt, vermittelt dem Leser die Information, dass sie überdurchschnittlich groß ist, ohne dass man es explizit erklären muss.

Ankh: Genau. Im weiteren Sinne äußere Merkmale sind ja nicht nur Haarfarbe und Beinprothesen, sondern auch typische Angewohnheiten deiner Figur. Da sich Handlungen gut beschreiben lassen, fällt es dir vielleicht leichter, ihren schlurfenden Gang zu beschreiben oder die Art, wie sie sich immer ihren zu langen Pony aus dem Gesicht pustet. Das allein wird den Lesern nicht reichen, denen die Augenfarbe wichtig ist, aber es ist eine gute Ergänzung, um Elaine von den anderen Figuren mit braunen Augen in der Geschichte abzuheben.

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