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5-Akt-Struktur oder Die Wichtigkeit der Wendepunkte

Im Kompasskurs II »Der Plot« haben wir die 3-Akt-Struktur mit dem Anfang, der Entwicklung und dem Ziel kennengelernt. Im ersten Akt wird die Hauptfigur eingeführt und ihre Welt beschrieben. Im zweiten Akt setzt sich die Figur mit den Problemen auseinander (da wir sie mit ihren verhängnisvollen Schwächen[1] kennen, wählen wir natürlich die allerschlimmsten Hindernisse). Im letzten Akt hat sie die Konflikte gelöst und erreicht das Ziel.

Wichtiger als die einzelnen Akte jedoch sind die Übergänge, also wenn die Figur die Ausgangssituation zur Entwicklung übergeht, bzw. wenn sie das Entwicklungsstadium verlässt und auf die Zielgerade zusteuert. Diese Übergänge sind nicht fließend, sondern Umbrüche. Sie sind die Wendepunkte der Geschichte.

So wie sich Menschen gern an Bekanntem festhalten, wird auch keine Figur freiwillig einen unbekannten, steinigen Weg betreten. Wenn ihr zum Beispiel sehr gesund lebt, ausreichend Sport macht, euch abwechslungsreich ernährt und nur ab und an Biofleisch von einem glücklichen Huhn esst, wieso solltet ihr Frutarier werden und nur noch Obst essen, das bereit vom Baum gefallen ist? Was bringt euch das? (Außer die Mangelernährung … *hust*)

Warum tut ihr das? Was ist die Motivation?

Neben dem Ziel und dem Konflikt ist die Motivation (also der Grund und der innere Motor, wieso die Figur das Ziel verfolgt) der dritte wichtige Teil, um der Geschichte Substanz zu verleihen.

  • Das Ziel braucht ihr für den roten Faden.
  • Den Konflikt braucht ihr für die Spannung.
  • Die Motivation braucht ihr für die Schlüssigkeit.

Der Leser lernt eure Figur von außen kennen. Wenn die Figur einen seltsamen Weg einschlägt und er ihr nicht folgen kann, bleibt er stehen und legt im schlimmsten Fall das Buch beiseite. An diesem (Wende)Punkt müsst den Leser bei der Hand nehmen und ihn überzeugen, warum er mit auf die Reise gehen soll.

»Die Wendepunkte sind die wichtigsten Punkte eines Plots. Sie ändern nachhaltig das Leben der Figur.«

 

Der Wendepunkt reicht vom ersten rollenden Steinchen[2] über das Bewusstwerden der Probleme bis hin zu dem Punkt, an dem die Figur endlich begreift, dass sie etwas ändern muss. Der Wendepunkt ist niemals einfach. Die Figur ringt mit sich, debattiert[3] mit sich selbst, ob sie den Status quo verlassen und einen neuen Weg beschreiten soll. Und an diesem Punkt heißt es nicht »Was hast du zu verlieren?«, sondern »Wenn du dich nicht zusammenreißt, verlierst du alles!«.

Diese Wendepunkte sind sehr wichtig. Viel zu wichtig, als dass sie in der 3-Akt-Struktur nur als Striche zwischen den Akten dastehen sollten. In der 5-Akt-Struktur sind diese Übergangsstriche als eigene Akte ausgeführt.

 

3-Akt-Struktur 5-Akt-Struktur Erklärung
1. Akt

 

Wendepunkt

1. Akt Der Protagonist und das Thema mit dem Hauptkonflikt werden eingeführt.
2. Akt Ein unerwartetes Ereignis drängt den Protagonisten aus dem Alltag. Er ist mit der neuen Situation überfordert und scheitert.

Etwas Grundlegendes muss sich ändern; und der Protagonist entscheidet sich, einen neuen Weg einzuschlagen.

2. Akt

Wendepunkt

3. Akt Der Protagonist kämpft für das Ziel.

Er meint den Erfolg (Mission, Karriere, Liebe, Freundschaft) zu erkennen, doch seine Bemühungen reichen nicht aus. Sein Scheinerfolg beginnt zu bröckeln.

4. Akt Die zu Anfang angedeuteten Konflikte sind nicht gelöst und bringen der Protagonist noch stärker in Bedrängnis als zu Anfang. Er verliert nicht nur, was er sich mühsam erkämpft hat, sondern auch das, dessen er sich sicher gewesen ist.

Die einzige Möglichkeit, „lebend“ aus dieser Situation herauszukommen, verlangt große Opfer. »Wenn du dich nicht zusammenreißt, verlierst du alles!«

3. Akt 5. Akt Der Protagonist erlangt das letzte Puzzlestück / die Erkenntnis, um ihre Entwicklung abzuschließen und die Konflikte endgültig zu überwinden. Er holt zum finalen Schlag aus.

Das Ende ist ein gespiegeltes Bild vom Anfang. Die Konflikte vom Anfang sind gelöst. Der Protagonist ist nicht mehr derselbe Mensch wie am Anfang.

Für diejenigen, die gerne mit Fremdwörtern und Fachwissen angeben
Lessing, Goethe und Shakespeare arbeiteten mit dem 5-Akter.

Damit es besonders kompliziert klingt, wird es Regeldrama genannt. Benutzt statt »Einführung« das lateinische Wort »Exposition«. Dies klingt schon mal viel gewählter. Den zweiten Akt, in dem es schön kompliziert wird, nennt ihr »Komplikation«. Der Akt, in der die Hauptfigur merkt, dass der Schein trügt, und alles mühsam Aufgebaute zusammenfällt, heißt »Peripetie« (unerwartetes Unglück). Wenn sich die Figur zwischen Handeln und Verrecken entscheiden muss, nennt man den Akt »Retardation«. »Retard« heißt »verzögert«, denn wenn man überlegt, was man als Nächstes tut, zögert man. Anstatt Auflösung sagen wir »Dénouement«. Die Bedeutung ist dieselbe.

 

In den Akten, die in dem 3-Akter nur die Übergänge waren, befinden sich die wichtigsten Umbrüche. Aus diesem Grund bietet es sich an, diese nochmals in zwei Punkten aufzuteilen. So habt ihr am Ende sieben Punkte.

Mehr dazu im nächsten Artikel 7-Punkt-Struktur.

 


[1] Fatal Flaw
[2] Inciting Incident oder Catalyst nach Blake Snyder
[3] Debate nach Blake Snyder

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