Wir haben uns langsam an das Plotting herangetastet. Die 3-Akt-Struktur besteht ganz simpel aus Anfang, Entwicklung und Ende. Bei der 5-Akt-Struktur haben wir die Wendepunkte zu eigenen Akten gemacht, sodass der Roman in Anfang, Wendepunkt, Entwicklung, Wendepunkt und Ende gegliedert ist. In diesem Artikel sehen wir uns die 7-Punkt-Struktur an.
Was ist an dieser Struktur anders?
Nichts. Alle Plotstrukturen sind vom Prinzip her gleich. Sie sind bloß detaillierter gegliedert (oder geben zusätzlich ein Thema vor).
Wenn keinen inhaltlichen Unterschied gibt, weshalb braucht man verschiedene Plotstrukturen?
Ein Roman ist überaus komplex. Mit der Gliederung bekommen die einzelnen Teile unterschiedliche Gewichtung.
Im 3-Akter enthält der erste Akt die Einführung der Hauptfigur und des Themas in der er steckt; den Aufbau des Settings; die Andeutung vom Kernkonflikt und der persönlichen Probleme; ein auslösendes Ereignis; eine Notlage; die Zwangslage; die Rumination der Figur und die Entscheidung zu handeln. Kurzum: eine ganze Menge.
Damit keiner der genannten Punkte vernachlässigt oder sogar vergessen wird, werden sie in andere Plotstrukturen einzeln aufgelistet. Je nach Vorliebe könnt ihr mit einer Prämisse, womit ihr lediglich das Ziel im Kopf habt, oder mit einer genauen Auflistung aller plotrelevanten Faktoren arbeiten.
Zwischen dem weißen Blatt und „Malen nach Zahlen“ steht die 7-Punkt-Struktur, mit der die meisten Autoren arbeiten. Sie ist detailliert, aber nicht einengend, und gibt den Wendepunkten ein besonderes Gewicht.
Wodurch erhält sie die Gewichtung?
Der Wendepunkt besteht aus zwei Teilen. In der ersten Hälfte des Wendepunkts schubst ein ausschlaggebendes Ereignis unseren Protagonisten aus dem Alltag (Plot Turn; deutsch ‚Wendung‘). In der zweiten Hälfte gerät der Protagonist in eine fiese Zwickmühle und wird gezwungen, sich für einen Weg zu entscheiden (Pinch; deutsch ‚Zwicke‘). In der 7-Punkt-Struktur wird dies in zwei separate Akte bzw. Punkte aufgeteilt.
Beachtet den Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Wendepunkt. Beim ersten nimmt die Handlung eine Wendung, wodurch die Figur in eine missliche Lage gerät. Die Figur reagiert auf ihre Umwelt – sie ist reaktiv (nicht zu verwechseln mit passiv[1]).
Beim zweiten Wendepunkt führt die Figur, um sich aus der Zwangslage zu befreien, die letzte Wendung herbei. Die Figur ist aktiv.
Es gibt jedoch auch eine Gemeinsamkeit. In beiden Pinch Points steht die Figur stark unter Druck, sie steht unter Zugzwang, wenn sie sich nicht zusammenreißt, verliert sie alles.
Um herauszufinden, ob die Fallhöhe stark genug ist, stellt euch folgende Fragen:
- Hat der Protagonist die Möglichkeit, sich vor der Entscheidung zu drücken?
- Hat der Protagonist die Möglichkeit, einen einfacheren Weg zu wählen?
- Hat der Protagonist die Möglichkeit, nach seiner Aufgabe wieder in den Alltag vom Anfang zurückzukehren?
- Was passiert, wenn der Protagonist keine Entscheidung trifft?
- Was passiert, wenn der Protagonist die falsche Entscheidung trifft?
- Was passiert, wenn der Protagonist bei seiner Aufgabe scheitert?
Habt ihr die ersten drei Fragen mit Nein beantwortet? Und sind die Antworten auf die folgenden drei ganz furchtbar für euren Protagonisten?
Gut. Der Plot ist kein Zuckerschlecken. Kein normaler Mensch würde die Geschichte freiwillig durchmachen wollen. Daher müsst ihr die Situation für eure Figur so aussichtslos machen, dass sie keine andere Wahl hat, als zu kämpfen.
Sorgt für eine tödliche Fallhöhe.
Erst wenn die Figur am Rande des Abgrunds steht,
wird sie um ihr Leben kämpfen.
Erinnert ihr euch noch an die Millionärin Nora, die mit Partys und Nachtlicht ihre Schuldgefühle und die Panikattacken vor der Dunkelheit verdrängen will? Welchen Grund könnte man ihr geben, damit sie sich endlich ihren Ängsten stellt?
Ist ihr Nachtlichtlein mit den 0,2 Watt und den Jahreskosten von 50 Cent zu teuer für eine Millionärin? – Ähm, ja …
Vernachlässigt sie durch die regelmäßigen Partys ihre Arbeit und wird pleite? – Wir kommen der Sache schon näher. Aber theoretisch hat sie genug auf der hohen Kante, und außerdem tut ein stinknormaler Halbtagsjob auch niemandem weh.
Vielleicht leidet sie durch ihre Lebensführung an einer Krankheit, zum Beispiel Hörverlust durch Schlafmangel, sodass sie befürchtet, taub zu werden. Oder sie wird schwanger, will jedoch das Kind behalten (bzw. es ist zu spät für eine Abtreibung) und muss nun ein halbwegs gesundes Leben ohne Alkohol führen. Vielleicht schafft sie es nicht, sich zusammenzureißen, und verliert das Kind. Womit wir dann eine zweite Person hätten, die ihretwegen sterben musste. Da verdoppeln sich die Schuldgefühle. – Tja, der Plot ist kein Zuckerschlecken.
Wie sieht es mit eurem Protagonist aus? Kommt er zu einfach davon?
Dann nagelt ihn fest, damit er nicht fliehen kann, und zwingt ihn, sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen. Und mit „nageln“ meine ich nicht die Handlung für Erwachsene, sondern mit einem rostigen Metallnagel am Boden festnageln. Ob es das Hosenbein oder der Fuß ist, bleibt euch überlassen.
[1] Vielleicht habt ihr schon mal von der Schreibregel gehört, dass der Protagonist aktiv sein solle. Dem stimme ich zu, denn passive Figuren langweilen den Leser. Doch passiv ist nicht mit reaktiv verwechseln. Während passiv zu sein, bedeutet, dass der Protagonist gar nichts tut, reagiert der reaktive Protagonist auf das Schicksal, bis er sich entscheidet, aktiv zu werden und das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Toller Artikel! Danke!