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Warum Hautfarbe allein nichts aussagt

Ab und an bekomme ich Nachrichten mit der Frage, wie man Hautfarben beschreibt, ohne dass es verletztend oder problematisch ist. Ich bin froh, dass Menschen nachfragen, wenn sie sich unsicher fühlen. Auch wenn Unsicherheit kein schönes Gefühl ist, empfinde ich es doch als ein gutes Indiz dafür, dass man spürt, dass man vielleicht etwas überdenken müsste.

Doch bevor wir in das Thema Hautfarben eintauchen, möchte ich gern etwas von euch wissen:

 

Wieso möchtet ihr die Hautfarbe benennen?

 

→ Damit die Leser*innen verstehen, dass eine Figur braune Haut hat.

Wenn man keine Beschreibungen benutzt, machen sich die Leser*innen ihre eigenen Vorstellungen. Sie sehen, was sie gewohnt sind und was sie internalisiert haben. Wenn z. B. die Familie weiß ist, der Freundeskreis weiß ist, die Menschen, von denen man in den Büchern liest, weiß sind, stellt man sich höchstwahrscheinlich eine weiße Person vor, wenn nicht anderes dazu geschrieben wurde. (Und es kommt auch vor, dass die Figur als braunhäutig beschrieben wurde, man sich aber durch die eigene Lesegewohnheit und Prägung die Figur trotzdem weiß vorstellt.) Zudem ist Weiß in Büchern, und generell in den Medien, vorherrschend. Man lernt von klein auf, dass Menschen in Geschichten weiß sind. Man gewöhnt sich daran und trägt diese Konvention weiter, indem man ebenfalls die Figuren weiß schreibt und liest. Hierbei ist es egal, ob man weiß ist oder BI_PoC. Um dies zu brechen, muss man für Sichtbarkeit sorgen.

Das kann man machen, indem man auf die Farbe der Haut hinweist.

Wenn ihr aber nur die nicht-weißen Figuren beschreibt, macht ihr weiß zu einer Norm. Weiß ist der Standard, der nicht benannt werden braucht, wohingegen alles andere von dunklem Beige über Braun bis zu Schwarz benannt werden muss, um verstanden zu werden. Dadurch sind weiße Menschen und BI_PoC nicht gleichwertig.

Wenn ihr für Sichtbarkeit sorgen wollt, achtet darauf, dass ihr euch nicht das Andersartige, hier die Hautfarbe von BI_PoC, versteift und es dadurch hervorhebt – außer es gehört zu Figurenperspektive (aber dazu später). Beschreibt alle Figuren gleichermaßen detailreich, egal welcher Ethnie sie angehören. Wenn ihr nur dann die Hausfarbe erwähnt, wenn es sich um eine BI_PoC handelt, verfestigt es den Gedanken noch mehr, dass Weiß die Norm ist.

Auch in der Phantastik kann man die optischen Merkmale der erdachten Völker beschreiben – gerade weil sie für die Lesenden »neu« sind, machen sich ausführliche Beschreibungen gut. Phantastische Geschichten sind jedoch nie komplett von der Realität abgekoppelt, selbst ausgedachte Ethnien oder Fantasiewesen stehen im Kontext zu echten Menschen (Infos hier!). Deshalb gibt hier auch dasselbe, was für nicht-phantastische Genres gibt.

→ Um Diversität darzustellen

Zwar gibt es unter den Hautfarben eine große Diversität, aber um ethnische Diversität zu zeigen, genügt die Farbe der Haut nicht. Die Hautfarbe allein gibt keinen Hinweis darauf, welche Wurzeln ein Mensch hat, auch wenn es natürlich Ethnien gibt, deren Angehörige vorrangig braune bzw. hellbeige Haut haben. Darüber hinaus gibt es auch People of Color – vor allem mixed-race*, die hellhäutig oder white-passing (als Weiß durchgehen) sind.

* Mixed-race bitte nicht auf Deutsch benutzen; »gemischt«, »Mischling« und »Rasse« sind rassistische Begriffe.

Angélica Dass hat in dem Projekt Humanae (2016) etliche tausend Menschen fotografiert und ihnen Farbcodes zugeordnet. Mit dem Fazit, dass die Hautfarbe kein Indiz dafür ist, welcher Ethnie ein Mensch angehört.

 

Hautfarben sind schön. Wenn es zu eurem Genre, zu eurem Schreibstil, in die Szene passt, go for it!

Dennoch gibt es viele anderen Möglichkeiten, ethnische Diversität darzustellen. Überlegt mal: Was macht eine weißdeutsche Person aus? Die deutsche Sprache? Der schöne Akzent im Englischen (ßomßing ohlt, ßomßing nju)? Lederhosen? Bier? Weißwurst? Preußische Uniform? Pünktlichkeit? Bei roter Ampel tatsächlich stehen bleiben? Die Liebe zu Autos? Karneval? Socken in Sandalen (oder waren es die Briten)? Erst die vielen Details machen euren Roman lebendig. Begnügt euch nicht nur mit einem einzigen Faktor.

Nun schaut euch das Beitragsbild mit den beiden schwarzhaarigen Personen an. Inwiefern unterscheidet sich deren Hautfarbe von denen weißdeutscher Menschen? Was an diesem Bild erzeugt ein chinesisches Flair? Zusatzfrage: Wie viele Chines*innen kennt ihr, die tatsächlich so herumlaufen wie auf dem Bild?

 

Um den Fokus auf die Hautfarbe zu legen?

Hab ich zwei Absätze vorher »Go for it!« gesagt? Dann ist es an der Zeit, meine Aussage wieder einzugrenzen. (Weil ich ja auch nie weiß, was ich wirklich will. *thöhöhö*)

In romantischen oder erotischen Genres macht es Spaß, die Love Interests samt Sprenkeln in den Iriden und Sommersprossen auf den Backen (welche Backen ich meine, verrate ich nicht) anzuschmachten, und generell ist es schön, wenn sich die Perspektivfigur wohl in ihrer Haut fühlt und es auch so kommuniziert. Aber achtet darauf, dass ihr es nicht übertreibt und die Romanfiguren objektifiziert, exotisiert oder sexualisiert. Ihr kennt doch sicherlich »male gaze«, wenn Frauen aus cis hetero Männersicht beschrieben werden, und zwar auf eine sexualisierende, objektifizierende Weise, damit der cis hetero Mann sein Lesevergnügen kriegt. Das funktioniert nämlich auch super mit der weißen Sicht auf BI_PoC. Seid deshalb besonders aufmerksam, wenn BI_PoC als besonder sexy und hot oder zum Anbeißen niedlich (auch bei Kindern und Babys!) sind, ohne dass es einen guten Grund dafür gibt.

Man kann den Fokus auch auf die Hautfarbe legen, um zu aus der Sicht einer Romanfigur oder der Erzählfigur zeigen, dass jemand »anders« ist (»anders« im Sinne von »andersartig« und »komisch«. Die Gesellschaft ist rassistisch, und somit ist es auch nur logisch, wenn es Romanfiguren (oder Erzähler*innen) gibt, die andere wegen der Hautfarbe abwerten.

Es ist eure Geschichte und es bleibt euch überlassen, was ihr schreibt. Ich wünsche mir dennoch, dass ihr euch bewusst macht, was ihr schreibt und welche Auswirkungen euer Text hat. Wenn ihr in eurem Roman eine rassistische Aussage tätigt, und sie nicht angesprochen oder reflektiert wird, macht ihr als Autor*in ein Statement: »Rassismus existiert in der Gesellschaft. Rassismus existiert in meinem Roman. Ich finde es normal und okay.« Es ist ähnlich, wie wenn man zum Beispiel  eine Perspektivfigur sexuelle Gewalt ausüben lässt, ohne dass das Thema angesprochen oder verarbeitet wird, oder ohne dass es Konsequenzen für die Figuren gibt.

 

Ich will doch gar nicht über »Hautfarben« schreiben?! Sie spielen bei mir keine Rolle. Es ist die Story, die zählt!

Herzlichen Glückwunsch. Du bist so privilegiert, dass »Hautfarben« für dich keine Rolle spielen. Du gehörst zu den Menschen, die behaupten, dass sie keine Hautfarbe sehen. Deine Realität kommt ohne »Hautfarbe« (in Anführungszeichen geschrieben, weil nicht die Farbpigmente gemeint sind, sondern die ethnische Zugehörigkeit) klar, weil du nicht mit Rassismus konfrontiert wirst. Falls dir so etwas mal begegnet, kannst du wegschauen, wann immer du willst. Du hast keine Probleme, Bücher zum Lesen zu finden, weil die Geschichten und die Figuren darin, dich und deine weiße Welt widerspiegeln. Du hast keine Probleme, deine persönlichen Geschichten zu schreiben und zu veröffentlichen (wenn doch, ist es individuelles Pech oder mangelndes Handwerk, nichts Strukturelles).

Vielleicht hast du von klein auf gelernt, dass die Menschen in Büchern normalerweise weiß sind, sodass du es einfach so nachgemacht hast, ohne es zu hinterfragen. Vielleicht fühlt es sich deshalb für dich auch ungewohnt oder unangenehm an, nicht-weiße Menschen einzubringen. Vielleicht ist es ein un(ter)bewusstes Gefühl, vielleicht hast du dich willentlich entschieden, die Romanfiguren weiß zu konzipieren. Wenn du der festen Meinung bist, dass die Geschichte zählt, nicht die Farbtöne der Hautschuppen, möchte ich dich gar nicht vom Gegenteil überzeugen. Sei dir dennoch bewusst, dass du damit Weiß als Norm festigt. Keine Hautfarben zu haben, bedeutet nur weiße »Hautfarben« zu haben.

 

Und wie beschreibt man nun Hautfarben?

Ganz einfach. Indem du die Hautfarbe hinschreibst.

Hautfarben reichen von Brauntönen bis Rosatönen. Von hell bis dunkel. Von blass bis tief und satt. Such dir was ein nettes Wort aus und bilde einen Satz wie »Sie hat braune Haut« oder »xiese Haut hat einen satten schwarzbraunen Ton« oder »er hat hellrosa Haut«.

Rosa klingt ungewohnt? Hm, das liegt es wohl daran, dass man es nicht gewohnt ist, die Hautfarbe von weißen Menschen als das benannt zu bekommen, was sie sind. Trotzdem gefällt es dir nicht? Du bist weder Baby, Prinzessin noch Schwein? Dann beziehe es doch nicht auf dich, sondern schau noch mal das Bild von dem Projekt Humanae an: Die weißen (mittel-, nordeuropäisch aussehenden) Personen sind doch rosa. 🌹

 

Dass man für helle Haut lieber Ausdrücke wie »cremefarben« oder »Elfenbein« wählt, weil es charmanter klingt, liegt an der Gewohnheit. Dabei beschreibt cremefarben die Farbe von Buchseiten und passt noch viel weniger als das realistischere Rosa.

Die Farben Creme, Elfenbein und Rosa.
Die Farben Creme (#fffccf), Elfenbein (#fefff1) und Rosa (#f4bab8).

Ich hoffe, ihr habt euch nicht von mir ärgern lassen, sondern verstanden, dass es mir darum geht, aufzuzeigen, welches Ungleichgewicht bei den Beschreibungen herrscht. Aus dunklenbraunen Hautfarben wird ein Mysterium gemacht, während die Hautfarben von Weißen nicht benannt werden brauchen – und falls es geschieht, klingt es kolonial-royal (Alabaster! Porzellan! Elfenbein!) oder seltsam ungewohnt.

Zum Glück sind Hautfarben eh nicht aussagekräftig. Wenn ihr eine ethnische Zugehörigkeit klarstellen wollt, könnt ihr sie auch einfach benennen. Und wenn ihr es geschickter machen wollt, so richtig mit »Show don’t tell«, könnt ihr noch alle menschlichen und zwischenmenschlichen Attribute einbinden.

Wie, das zeige ich euch in:

Und wenn ihr heiß darauf seid, Namen für die einzelnen Hautfarben zu finden, klickt hier:

3 Comments

  1. Olivia 21. August 2022

    Ich würde sagen “Xieses Haut hat einen blassen/zarten Rosaton” klingt voll normal. Sowas habe ich auch schon oft gelesen.

    Nur “rosa” klingt, wie du sagst, ungewohnt und unnatürlich. Es gibt einfach zu viele Rosatöne und einige davon sind knallig. Das pure Rosa, an das viele bei dem Wort als erstes denken, ist recht knallig und da ist sehr wenig bis gar kein Gelb drin.

  2. Andreas 21. Dezember 2020

    Hallo,

    Vielen Dank erstmal. Wenn man schreibt, will man nicht unabsichtlich verletzen.

    Vollständig überzeugt bin ich noch nicht. Zumindest nicht vom Zitat Sullivans. Hängt die Frage, inwieweit man Hautfarben beschreibt nicht auch außerhalb der von Erotikgeschichten von der Perspektive des Charakters ab? In Fantasyromanen, wie James A. Sullivan schreibt, musst man die Sache sicher etwas anders betrachten, als bei Geschichten die in der “Realität” spielen. Denn bei High Fanttasy ist dem Leser ja nichts vertraut, man lernt die Welt ja erst kennen. Legolas könnte praktisch ebenso gut grün wie rosa sein. Wenn ich aber zum Beispiel aus der Perspektive des sächsischen Dörflers schreibe, auch als personaler Er-Erzähler, dann scheint mir die braune Hautfarbe, aber auch asiatische Züge ein Faktor, der der Figur sicherlich bei neuen Bekanntschaften eher, sogar als erstes auffällt als die für ihn gewöhnlichen, ich nenne sie mal kaukasisch-rosanen Züge. Und eben nicht weil die Figur rassistisch ist, sondern die Hautfarbe selten. In Berlin mag das vielleicht auch wieder anders sein.

    Anderes Beispiel Annika Büchner liest hier nen Absatz von J K Rowlings seltsamen Krimi: https://youtu.be/0prPJJG0KKs?t=126
    Die Nebenfigur wird über eine Minute Lesezeit beschrieben bis hin zu den Fußknöcheln. Die Hautfarbe erwähnt sie in der Tat nicht. Angesichts der Tatsache, dass Annika auch sagt, dass die Figur eigentlich nur ein kleine Nebenfigur ist, scheint mir die Beschreibung ein wenig ausufernd. Insbesondere auch deswegen, weil die Person aus deren Perspektive geschrieben wird, eine andere Person absichtlichmustern würde, um Details dieser Art mitteilen zu können (bei Privatermittlern vlt. sogar eher plausibel). Jetzt stellt sich mir die Frage, wenn sie an späterer Stelle beschreiben würde, dass jemand irgendwie eine der dunkleren Hautfarben hat. Hätte sie dann hier auch noch zu all dem Erwähnen sollen, welche Hautfarbe diese Person? (Die Geschichte spielt in London nach 2001, nach meiner Einschätzung also einem Ort, der schon durchaus bunter ist, als andere heutzutage. Trotzdem stellen die rosa-kaukasisch aussehenden wohl die Bevölkerungsmehrheit.)

    Bissel Verwirrung bleibt.

    • Andreas 28. Dezember 2020

      *Bühnemann, die Frau heißt Bühnemann… Das passiert wenn man drei Leuten gleichzeitig zuhört. Sorry.

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