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Das Save-the-Cat-Beat-Sheet nach Blake Snyder

Wir kennen jetzt schon diverse Strukturen, um unseren Roman in ein ansprechendes Gewand zu kleiden. Manche davon sitzen locker wie eine wallende Sommerbluse, andere straff wie ein Korsett, wieder andere irgendwo dazwischen.

Welches davon ist nun das Beste?
Das kommt ganz auf den persönlichen Geschmack an. Manche Autoren brauchen ihren Freiraum und wollen sich so wenig wie möglich an Strukturen anpassen, andere verlassen sich voll und ganz auf das sichere Fallnetz, um auf dem Drahtseil darüber ihre Kunstfertigkeit auszuspielen. Welches System für euch am besten passt, müsst ihr selbst herausfinden.

Was ist das 15-Punkte-Beat-Sheet?
Das Beat-Sheet ist eine Erweiterung der 7-Punkte-Struktur und hat seinen Ursprung in der Drehbuchgestaltung. Neben den Druck- und Wendepunkten legt es besonders Wert auf bildgewaltige und eindrucksvolle Momente und Szenen, die dem Zuschauer (oder in unserem Fall: dem Leser) im Gedächtnis bleiben. Es geht um die Momente, die für den Helden bedeutsam sind, die ihn an den Rand des Abgrunds führen – und sogar darüber hinaus.

7-Punkte-Struktur Beat-Sheet
Hook Eröffnungsbild
Setting
Thema
Plot turn 1 Das auslösende Moment
Debatte
Pinch 1 Plot Point 1
Midpoint B-Story
Spiel und Spaß
Der zentrale Punkt
Pinch 2 Das Böse rückt näher
Alles verloren
Plot turn 2 Der Seele finstrer Nacht
Plot Point 2
Resolution Finale
Finales Bild

Die Punkte des Hook:
Das Eröffnungsbild beschreibt die allererste Szene eines Romans. Schon hier kann sich entscheiden, ob der Leser der Geschichte eine Chance gibt oder sie ungelesen zurück ins Regal stellt. An dieser Stelle liegt es an euch, dem Leser zu zeigen, was er von eurem Roman erwarten kann.

  • Lieschen Müller auf der Suche nach der großen Liebe?
  • Ein Alien im Kampf für Gerechtigkeit in der Galaxis?
  • Kommissar Radebrecht auf Mörderjagd?

Ins Eröffnungsbild gehören das Genre eures Romans sowie eure Hauptfigur.
Das Setting erfüllt vor allem den Zweck, dem Leser die Welt eurer Hauptfigur zu zeigen. In welchem Umfeld lebt sie, wie sieht ihr Alltag aus? Nur, wenn der Leser diesen Alltag gesehen hat, kann er die einschneidenden Veränderungen, die im späteren Roman auf die Hauptfigur zukommen, als solche erkennen.
Das Thema stellt die Prämisse eures Romans dar – oftmals ist es genau das, was eurem Helden zu seinem Glück fehlt.

  • Ist Reichtum wichtiger als Freundschaft?
  • Darf ich für meine Ideale töten?
  • Siegt am Ende die Gerechtigkeit?

Gerade in Filmen wird die Prämisse mehr oder weniger deutlich in den ersten Szenen genannt: Tante Annemarie erzählt unserem Lieschen, dass wahre Liebe ihren Weg findet; der fiese Bankier erklärt dem armen Sparer, dass Geld die Welt regiert.
So deutlich muss man natürlich nicht werden, aber manchmal ist ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl an dieser Stelle sehr praktisch.

Die Punkte des ersten Plot Turns:
Im auslösenden Moment erfährt das Setting einen radikalen Bruch. Die Welt verändert sich, der Alltag des Helden gerät außer Kontrolle und zwingen ihn zum Handeln.
Natürlich ist der Held davon nicht begeistert – wer verlässt schon gerne das behagliche Nest? Daher beschreibt die Debatte diese innere Zerrissenheit. Die Veränderung ist zu einschneidend, um ignoriert zu werden, aber der Held hat Zweifel, wehrt sich dagegen. Wie intensiv diese Stelle zum Tragen kommt, hängt vom Helden ab. Ein mutiger Krieger braucht vielleicht nur ein paar Sekunden, um auf Reisen zu gehen, während Lieschen Müller sich auch nach Tagen nicht traut, ihrem attraktiven neuen Chef in die Augen zu sehen.

Der erste Pinch / der erste Plot Point:
Die Hauptfigur entscheidet sich, das Problem aus dem auslösenden Moment anzugehen. Er betritt (physisch oder metaphorisch) eine neue Welt, die das Gegenstück des Settings bildet. Lieschen Müller tauscht ihren Schreibtisch in der hintersten Ecke des Büros gegen die Tanzfläche auf der großen Firmengala, um ihren Chef für sich zu gewinnen. Der Krieger verlässt sein Dorf, um die Prinzessin aus dem Drachenhort zu befreien.
Ganz wichtig in diesem Punkt ist die Motivation des Protagonisten. Er nimmt große Gefahren auf sich und wagt sich in eine fremde Welt – das tut niemand, der kein Ziel vor Augen hat. Und dieses Ziel sollte auch der Leser kennen, denn nur so kann er den Helden nachvollziehen.

Die Punkte des Midpoints:
In der neuen Welt braucht der Held einen Ankerpunkt, irgendetwas, was ihm Sicherheit und einen Rückzugsort bietet. In der sogenannten B-Story trifft der Held auf die Person, die diesen Anker verkörpert – ob es sich nun um einen neuen Freund oder ein Liebhaber handelt, kann frei gewählt werden.
Der Punkt Spiel und Spaß verkörpert den Kern des Romans – hier geschieht genau das, wofür der Leser dieses Buch gekauft hat. Das Versprechen, das ihm in der Prämisse gegeben wird, wird eingehalten.
Der Held verfolgt sein Ziel und hat erste Erfolgserlebnisse

  • In einem Krimi erwartet man, dass der Ermittler den Mörder jagt.
  • In einer Romanze erwartet man, dass sich das Paar näher kommt.
  • In einem Sci-Fi-Roman erwartet man, dass unser Alien für die Gerechtigkeit kämpft

Genau das passiert an dieser Stelle. Das Versprechen des Romans wird eingelöst.
Doch was wäre ein Roman ohne Rückschläge?
Der zentrale Punkt ist einer der beiden entscheidenden Wendepunkte im gesamten Roman. Entweder glaubt der Held an dieser Stelle, einen ultimativen Sieg errungen zu haben, oder er scheitert so fatal, dass er nicht erwartet, je wieder aus diesem Tief herauszukommen. Die wirkliche Bedeutung des zentralen Punkts liegt allerdings darin, dass der Weg des Helden eben noch nicht zu Ende ist und er die wahre Lektion erst noch lernen muss.

Die Punkte des zweiten Pinchs:
An der Stelle „Das Böse rückt näher“ wird aus dem Wendepunkt plötzlich Ernst: Die scheinbar geschlagenen Feinde rotten sich zusammen und gehen umso entschlossener gegen den Helden vor; Der Held kämpft sich aus seinem Loch und wehrt sich gegen die feindliche Übermacht.
In beiden Fällen hat sich die Fallhöhe des Helden erhöht. An dieser Stelle muss klar werden, dass ab jetzt jede Entscheidung alles, was der Held bereits erreicht hat, in Gefahr ist und er nicht mehr zurück kann.
Unser Lieschen Müller geht auf die Intrige ihrer Konkurrentin ein, um den Chef zu erobern. wenn sie scheitert, verliert sie nicht nur ihre große Liebe, sondern auch noch ihren Job und damit ihre gesamte Existenzgrundlage.
Unser Kommissar kommt dem Serienkiller so nahe, dass er selbst ins Fadenkreuz gerät. Scheitert er, landet er schon bald selbst in der Autopsie.

Der Alles-Verloren-Moment bildet den zweiten entscheidenden Wendepunkt und den Gegensatz zum zentralen Punkt. Der Held verliert alles, weil er seine Lektion noch nicht gelernt hat. Die Verzweiflung ist greifbar. In Filmen sieht man oft den sogenannten Hauch des Todes – eine verdorrte Zimmerpflanze, eine Traueranzeige in der Zeitung, der Protagonist auf einer Brücke, von der er sich herunterstürzen könnte …

Die Punkte des zweiten Plot Turns:
Die Niederlage aus dem Alles-Verloren-Moment muss verarbeitet werden. Im Augenblick „Der Seele finstrer Nacht“ lernt unser Held die (bittere) Lektion, die in unserer Prämisse angeführt wurde. Diese Erkenntnis ist entscheidend, damit der Held am Ende doch noch triumphieren kann.
Im Plot Point 2 fließen nun alle Fäden zusammen. Der Held hat seine Lektion gelernt und findet nun mithilfe seiner Erfahrungen, die ihn zum Tiefpunkt geführt haben, sowie der zwischenmenschlichen Bindungen aus der B-Story heraus, wie er seinen Feind bezwingen kann. Er beweist (oder widerlegt) die Prämisse.

Die Punkte der Resolution:
Im Finale nutzt der Held seine im zweiten Plot Point entdeckten Fähigkeiten, um seinen Feind zu besiegen und seinen Preis zu erringen. An dieser Stelle könnt ihr es richtig krachen lassen – große Schlachten, Verfolgungsjagden oder einfach nur ultimative Auseinandersetzungen mit dem Gegner. Zeige den Triumph des Helden.

Der Held hat gewonnen und darf den Preis mit nach Hause nehmen? Sehr gut, dann wird es Zeit für das Abschlussbild. Im Eröffnungsbild haben wir eine Momentaufnahme vom Anfang – unser zukünftiger Held vor seiner Verwandlung. Nun zeigen wir das genaue Gegenteil – unseren gereiften Helden, der wieder in seine Alltagswelt zurückkehren und seinen Erfolg genießen kann.

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