Sobald ihr eine Geschichte im Kopf habt, werdet ihr ein ungefähres Bild von der Hauptfigur und der Welt haben. Sie mag auf einem Pferd oder einem Motorrad reiten, Drachen oder Fotos schießen, mit elforkischen König*innen, chinesischen Präsidenten*innen oder Rebellenführer*innen einer weit entfernten Galaxie verhandeln. In euren Vorstellungen existiert bereits die Welt.
Das ist auch gut so. Auch wenn wir in den Kompasskursen Schritt für Schritt vorgehen, können Plot, Figur und Welt nicht separat geplant werden. Sie sind miteinander verknüpft und bedingen sich gegenseitig.
Je nachdem, ob eurer Roman handlungsbetont (plot driven) oder charakterbetont (charakter driven) ist, und wie stark die Welt auf den Handlungsverlauf und die Persönlichkeit eurer Figur Einfluss nimmt, könnt ihr in der Reihenfolge planen, wie sie am besten zu eurer Arbeitsweise und zu eurem Projekt passt.
Die Planung ist nicht starr. Manchmal erkennt man die Prämisse erst während des Plottens. Manchmal muss man Plot und Figur gleichzeitig bzw. abwechselnd planen. Manchmal muss man sich seiner Welt schon vor der Planung bewusst sein.
Wenn ihr keine Ahnung habt, wo ihr anfangen sollt, dann seid ihr mit der Standardreihenfolge Plot-Figur-Welt auf der sicheren Seite. Wichtig ist: Eure Figur, eure Geschichte spielt in einer Welt, nicht im weißen Raum. Die Welt hat immer Einfluss auf eure Figuren.
Nehmen wir als Beispiel unsere Millionärin Nora, die Angst vor der Dunkelheit hat. Legt man erst im Nachhinein fest, dass die Geschichte auf einem Planeten mit drei Sonnen und keiner Nacht spielt … dann ergibt sie gar keinen Sinn mehr.
Hier einen kleinen Überblick zu verschiedenen Romanwelten:
Reale Welt – Gegenwart
Den Schauplatz in unsere heutige Welt zu setzen, ist wohl am einfachsten. Man schreibt einfach das, was man tagtäglich sieht. Wenn man es exotischer möchte und die Hauptfigur durch Bayern NY oder würzig-duftende Lavendelfelder der Provence wandeln lassen will, sollte man sich mit der Gegend vertraut machen.
Neben den Fakten (Gibt es Nadelbäume in der korsischen Macchia? Kann man in den USA an einer Türklinke hängen bleiben?) ist es wichtig, sich in die Atmosphäre einzufühlen und sie den Lesenden zu vermitteln. Wie sind die Menschen drauf? Wie sind die Gepflogenheiten? Was ist das Besondere an ihrer Kultur?
Am schönsten ist eine Forschungsreise, doch wem die Zeit fehlt, kann sich mit Büchern, Videos und Google Maps behelfen.
Reale Welt – Vergangenheit
Auch hier gilt es, das Lebensgefühl einzufangen. Für die Stimmung hilft es, Unterhaltungsliteratur zu lesen, die zur damaligen Zeit geschrieben wurden (keine modernen Bücher über diese Zeit, sondern Bücher aus der Zeit). Zu den beliebteren Epochen findet man Websites mit beträchtlichen Datenbanken an Quellen und Infos. Große Fallstricke sind die Technologien. Da verschätzt man sich oft, welche Erfindungen es schon gab, wie sie verbreitet waren und welche Bevölkerungsgruppe Zugang zu ihnen hatte. Achtet auch bei euren Quellen darauf, wer sie geschrieben hat und zu welchem Zweck der Bericht geschrieben wurde!
Wer einen richtigen historischen Roman (und keine historisch angehauchte Romanze) schreibt, sollte für die Quellen auch Bibliotheken aufsuchen. Zudem gibt es in Geschichtsinstituten von Unis auch freundliche, kooperative Wissenschaftler*innen. 😉
Reale Welt – Zukunft
Hier treffen Realität und Fiktion aufeinander. Da wir nicht in die Zukunft sehen können, müssen wir unweigerlich etwas hinzudichten. Je nach Genre erwarten die Leser*innen mehr oder weniger durchdachte Technologien. Während in Space Operas das Abenteuer im Vordergrund steht, wird im Hard-Science-Fiction die zukünftigen Entwicklungen wissenschaftlich und detailliert erklärt. Aber so logisch und wissenschaftlich ihr die Zukunft auch weiterentwickelt, sie bleibt dennoch eine Vision. Eine Fiktion.
Fiktive Welt
In einer Fantasywelt hat man scheinbar viel Spielraum. Doch gerade weil man die Freiheit hat, sich alles ausdenken zu können, muss man umso mehr auf die innere Logik achten. Wenn man ein ausgebautes Verkehrswesen mit Bus und Bahn und Flugzeugen hat, sollte man eine verdammt gute Begründung haben, weshalb die Menschen immer noch in Mittelalterklamotte rumlaufen und mit Pfeil und Bogen ihr Mittagessen jagen. („Es ist meine Fantasywelt!“ ist keine ausreichende Begründung.)
Um es sich einfacher zu machen, kann man reale Orte und Epochen nehmen und auf dieser Basis die eigene Welt entwickeln. Das hat auch den Vorteil, dass sowohl man selbst als auch die Leser*innen auf etwas Bekanntes zurückgreifen können. Wenn man beim Lesen Anhaltspunkte hat und nicht unendlich viel pauken muss, um die Welt zu verstehen, kann man die Geschichte besser genießen.
Auf welche Weise man Welten bauen kann, wird euch weltaltas in seiner Artikelreihe erzählen.