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Negative Eigenschaften

Sgt Käsefuß: Uuuuaaaaaah, hab ich gut geschlafen.

Ankh: Sag mal, wo warst du denn?! Ich hab dich schon überall gesucht!

Sgt Käsefuß: Na, ich war in meiner Schublade, Sommerschlaf halten.

Ankh: Sommerschlaf?

Sgt Käsefuß: Na klar, was dachtest du denn, wohin die ganzen Wollsocken im Sommer verschwinden?

Ankh: Äh, okay. Dir ist aber schon klar, dass unsere ganzen Rekruten jetzt irgendwo in der Sonne liegen, anstatt ihre Schreibfähigkeiten zu trainieren?

Sgt Käsefuß: Eine kleine Pause kann ja nicht schaden. Sollen wir weitermachen? Hast du ein Thema?

Ankh: Ja klar, ich –

Sgt Käsefuß: Gut. *Triller!* Alles Antreten!

Ankh: Okay. Ähm. Heute reden wir über[spacer height=”20px”]

Negative Eigenschaften[spacer height=”20px”]

Kein Mensch ist perfekt (nein, auch keine Socke!). Um also eine realistisch Figur zu erschaffen, braucht sie auch schlechte Seiten. Und damit meine ich nicht so Pseudo-Fehler wie „ist zu bescheiden“ oder „weiß nicht, dass sie in Wirklichkeit hübsch ist“, sondern echte Charakterschwächen.

Sgt Käsefuß: Aaaber, dann mag sie der Leser vielleicht nicht mehr!

Ankh: Ja, das ist die Befürchtung. Deswegen picken sich einige Autoren immer wieder dieselben Eigenschaften heraus, die zwar ein bisschen negativ sind, aber beim Publikum nicht negativ ankommen: Das ungeschickte Mädchen, der schüchterne Junge, wenn‘s ein bisschen „härter“ sein darf, der Detektiv, der gerne mal einen über den Durst trinkt.

Sgt Käsefuß: Und die sind schlecht?

Ankh: Söckchen, nichts ist schlecht, wenn man es richtig macht. Nur erstens läufst du in Gefahr, dass der Leser denkt „nicht schon wieder dieses Klischee!“, zweitens musst du aufpassen, dass du nicht bei diesen „akzeptierten“ Charakterschwächen auch noch schummelst. Wenn das ungeschickte Mädchen nur immer dann stolpert, wenn sie dem Traummann in die Arme fallen soll, und nicht, wenn sie der Killer durch den Wald hetzt, dann ist sie unglaubwürdig.

Sgt Käsefuß: Negative Eigenschaften sollen also tatsächlich negative Auswirkungen haben und die Figur in Schwierigkeiten bringen.

Ankh: Genau. Sonst sind es keine.

Sgt Käsefuß: Der Detektiv darf also saufen, so lange er im Suff auch den Tatort verwüstet, Zeugen anpöbelt und am nächsten Morgen vergessen hat, wo er seine Hinweise hingelegt hat?

Ankh: Joah, das wäre doch mal interessant … Wenn du es allerdings übertreibst, fragen sich deine Leser irgendwann, was der in dem Job verloren hat und warum ihm nicht endlich seine Marke entzogen wird.

Sgt Käsefuß: Supi! Mehr Konflikt!

Ankh: Okay. Aber du darfst dir beim Schreiben auch nicht selbst das Bein stellen. Der Detektiv, der seinen Job so verbaselt, dass er den Fall nicht mehr lösen kann, ist kein guter Protagonist für einen Krimi.

Sgt Käsefuß: Er muss also am Ende die Kurve kriegen und seine Schwäche ablegen.

Ankh: Das wäre eine Möglichkeit. Wobei eine Wunderheilung auch nicht besonders realistisch ist. Niemand überwindet seinen Alkoholismus, nur weil er am Ende des 2. Aktes eine Offenbarung hat. Es kostet Disziplin und vielleicht braucht der Detektiv auch Hilfe. Aber je härter wir ihn daran Arbeiten sehen, seine Schwächen zu überwinden, desto leichter verzeihen wir ihm auch, was er vorher angerichtet hat.

Sgt Käsefuß: Aber was ist mit negativen Eigenschaften, die wir gar nicht verzeihen wollen? Du sagtest, diese akzeptierten Dinge sind schon abgedroschen. Wenn ich nun etwas Neues bringen will, nehme ich etwas wirklich Negatives?

Ankh: Es gibt Dinge, die wollen wir nicht verzeihen. Wir sind eher bereit, einem Mörder –

Sgt Käsefuß: einem Sockenribbler!

Ankh: – Sympathien entgegenzubringen, sofern uns seine Motive nachvollziehbar vorkommen, als einem Charakter, der Kinder schlägt oder Tiere quält. Solche Eigenschaften sind dann eher dicke rote Pfeile, auf denen „Antagonist“ steht. Wenn du sie verwenden willst, dann mit sehr, sehr viel Fingerspitzengefühl.

Sgt Käsefuß: Ich habe keine Finger. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich für eine solche Figur überhaupt Sympathien wecken will. Am Ende glaubt man noch, ich würde als Autor sowas verteidigen.

Ankh: Das muss jeder für sich entscheiden. Du könntest ja auch die Botschaft vermitteln, dass man jedem Menschen eine Chance geben sollte, egal, was er getan hat. Aber wenn du deiner Figur seinen Fehler nicht verzeihen kannst, würde ich davon abraten, ihn zu schreiben. Ich finde, man sollte seine Figuren grundsätzlich mögen, trotz ihrer Fehler, um sie gut schreiben zu können.

Sgt Käsefuß: Okay. Puh. Zu positiv darf die negative Eigenschaft nicht sein, aber zu negativ auch nicht …

Ankh: Es gibt noch genug im Mittelfeld, das du verwenden kannst. Menschen sind vielschichtig. Warum ribbelt jemand Socken auf? Ist demjenigen überhaupt klar, was er da anrichtet? Es ist wichtig, dass der Leser die Figur nachvollziehen kann. Zeig, woher diese unangenehme Seite kommt, und gib ihr einen guten Grund. Das entschuldigt nichts, aber es wird nachvollziehbarer, und das hilft dem Leser, Sympathie zu entwickeln.

Sgt Käsefuß: Aber die Figur muss auch an sich arbeiten! Wenn ich Verständnis haben soll, dann will ich auch, dass ihr selbst klar ist, dass das, was sie da tut, nicht okay ist.

Ankh: Guter Punkt. Lass sie ihren Fehler realisieren und, wie oben schon gesagt, in der zweiten Hälfte der Geschichte ein paar Schritte in die richtige Richtung tun. Ein Charakter muss sich nicht um 180° drehen, oft wäre das auch wieder unglaubwürdig. Aber gib uns Lesern Hoffnung, dass er ein besserer Mensch sein kann, und wir werden die Daumen für ihn drücken.

Sgt Käsefuß: Schöööön! Und wie finde ich nun eine solche negative Eigenschaft?

Ankh: Wenn man lernen kann, ein besserer Mensch zu werden, dann hat man vorher auch die Fehler irgendwo aufgeschnappt. Wühle mal ein bisschen in der Vergangenheit deiner Figur: Wo ist sie aufgewachsen, wie wurde sie sozialisiert? Was könnte dabei schiefgegangen sein und welche Auswirkungen hat das bis heute?

Sgt Käsefuß: Das hört sich nach viel Psychologie an.

Ankh: Wenn du eine Figur mit Tiefe willst, dann musst du auch ihre Dimensionen erkunden. Es ist nicht damit getan, dass du einen Würfel nimmst und bestimmst, dass sie ein Rassist ist. Der Vorteil ist: Wenn du weißt, wo der Charakterfehler herkommt, dann hast du auch schon den Schlüssel, wie die Figur den Fehler überwinden kann.

Sgt Käsefuß: Öööch, Beispiel?

Ankh: Zum Beispiel hat deine Figur aufgrund der Kultur, aus der sie stammt, tiefverwurzelte Vorurteile gegenüber Orks. Sie hat ihr Leben lang erzählt bekommen, dass die dumm, brutal und minderwertig sind, auch wenn sie nie einen aus der Nähe gesehen hat. Ein möglicher Weg aus diesem Rassismus wäre, dass sie im Laufe der Geschichte einem Ork begegnet, der ihr das Gegenteil beweist.

Sgt Käsefuß: Und dann verliebt sie sich in ihn, und gemeinsam schaffen sie den Rassismus in ihrem Heimatland ab!

Ankh: Wenn du möchtest. Kann aber auch sein, dass sie sich erst einmal zusätzliche Schwierigkeiten macht, indem die sich ihn mit ihrer Überheblichkeit zum Feind macht.

Sgt Käsefuß: Das gefällt mir! Negative Eigenschaften, die auch der Figur selbst Probleme machen sind mir sympathischer, als solche, unter denen nur die Menschen in ihrem Umfeld leiden. Außerdem zwingt es sie, ihre Fehler zu überdenken.[spacer height=”20px”]

Fassen wir nochmal zusammen:

Sei ehrlich mit dem Fehler! Schwäche ihn nicht ab, damit der Leser ihn vielleicht gar nicht bemerkt oder ihn wenigstens nicht so schlimm findet. Gib deiner Figur eine echten, negative Eigenschaft mit allen Problem, die das nach sich zieht. Aber wähle eine, die es dir ermöglicht, deine Figur noch genug zu mögen, um dich in sie hineinzuversetzen.

Wecke andererseits auch nicht zu viel Verständnis für die Figur. Nicht jeder Widerling ist in Wahrheit ein armes Opfer der Umstände. Auch wenn es sicher Gründe gibt, dass er so wurde, und es sich lohnt, diese zu erforschen, gehört doch auch ein Stück Eigenverantwortung für sein Handeln dazu. Lass ihn innerhalb der Geschichte bei anderen Figuren anecken. Dass jemand der Protagonist oder gar der Auserwählte ist, gibt ihm nicht das Recht, sich wie ein Arsch aufzuführen.

Gib der Figur eine Tendenz, sich zu bessern. Mach es der Figur aber nicht leicht, diese Eigenschaft zu überwinden. Wenn sie es mit einem Fingerschnippen tut, fragt man sich nur, warum sie es nicht schon viel eher getan hat. Lass sie es wirklich wollen, mach es ihr schwer, und lasse sie innerhalb der Geschichte vielleicht erst ein paar vorsichtige Schritte gehen. Kein Sexist wird in zwei Wochen zum Frauenrechtler. Aber der Leser wird auch schon zufrieden sein, wenn der Charakter seine bisherige Meinung ernsthaft in Frage stellt.

Übung 1: 
Hast du eine Figur, deren negative Eigenschaft dir noch etwas unbedeutend und zahnlos erscheint? Stelle die Figur und ihre Eigenschaft hier vor. Welchen Einfluss hat die Eigenschaft auf die Geschichte, welche Hindernisse schafft sie für die Figur? Lass uns gemeinsam überlegen, wie wir eine vielleicht kleine, unbedeutende Macke zu einer handlungsrelevanten negativen Eigenschaft ausbauen können.

Übung 2: 
Hast du keine aktuelle Figur, die du für diese Übung aufpeppen könntest? Machen wir eine neue! Wähle eine negative Eigenschaft, die du noch nie zuvor in einer Geschichte für einen Protagonisten verwendet hast. Überlege dir dann drei Dinge, wie diese negative Eigenschaft ihm im Laufe der Geschichte Steine in den Weg legen kann. Gemeinsam überlegen wir, ob wir Sympathien für die Figur aufbringen können.

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