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10 Dinge, mit denen du Lektor*innen beeindrucken kannst

Lektor*innen sind scharfsinnige Wesen. Mit Leichtigkeit spannen sie dramaturgische Bögen, treffen zielsicher Logikfehler und Stilblüten, während sie auf Haupt- und Nebenplots reiten … aber was Rechtschreibung und Grammatik angeht, da gibt es Fälle in der deutschen Sprache, in denen sie sich zurückziehen und grübeln. Oder für 3 € pro begonnene Minute die Sprachberatung konsultieren. Oder von einer bezaubernden Autor*innenseele erhellt werden.

Ja, Autor*innen können das. Echt.

Ihr wollt jetzt wissen, wie – hab ich recht? Denn als Autor*in mag man Herausforderungen (zu Recht!), erst recht, wenn es schwierig wird, und auch wenn man es nicht allen recht machen kann. Also legt Notizheft und Stift zurecht (zur Rechten oder zur Linken, alles ist mir recht). Jetzt gibt es Rechtschreibkram. Grammatik.

Warnung: Es folgt jetzt wirklich viel Grammatik. Wer das nicht erträgt, springt bitte gleich zu Nummer 10.

 

1.      Soviel ich weiß, war es gar nicht so viel

Bei »so viel« (oder »so wenig«) handelt es um die Menge, ähnlich wie es bei »so weit« um das Maß der Entwicklung und bei »so lang« um einen Zeitraum geht. »So« ist in diesem Fall ein eigenständiges Wort. Man kann es »dermaßen« ersetzen, um zu prüfen, ob es auseinander oder zusammengeschrieben wird.

Sie hat so lange gesungen, bis sie heiser wurde.
Sie hat dermaßen lange gesungen, bis sie heiser wurde.
Solange sie heiser ist, kann sie nicht singen.
Dermaßenlange sie heiser ist, kann sie nicht singen.

Ich kann so weit sehen.
Ich kann dermaßen weit sehen.
Soweit ich sehe, sind alle anwesend.
Dermaßenweit ich sehe sind alle anwesend.

 

2.      Das ganze Hin und Her mit dem Hin und Her

Wenn man etwas für sich allein tut, tut (tut, tut!) man es »vor sich hin« – egal ob man »vor sich hin träumt« oder »vor sich hin murmelt«.  Es wird auseinandergeschrieben. Einige Rechtschreibprüfungen werden es euch als Grammatikfehler unterstreichen, weil »hin« in Kombination mit einem Verb wie ein Präfix aussieht. Bleibt standhaft und schreibt es als einzelne Wörter.

Um ein Präfix handelt es sich, wenn es um eine Richtung geht. Dann wird es zusammengeschrieben. Während man in einzelnen Wörtern vor sich hin geträumt, muss man das Essen »in sich hineinschaufeln«. Es heißt ebenso »neben/vor/hinter jemandem herlaufen«, »jemanden vor sich hinschieben«. Wenn jemand zu einem kommt, heißt es »herkommen« oder gar »hierherkommen«.

Wie man es aber schreibt oder trennt, die Rechtschreibkorrektur ist niemals glücklich, weil eben mehrere Aussagen möglich sind.

  • hierhinfahren
  • hierhin fahren
  • hier hinfahren

Man kann » hierhinfahren « oder » hierhin fahren« (einen ganz bestimmten Ort aufsuchen).  Stellt man den Satz um, wird es deutlich: »Hierhin möchte ich wieder fahren.« Und dennoch ist es auch möglich zu sagen: »Hier möchte ich wieder hinfahren.«

Wir ihr merkt, kann man den Bedeutungsunterschied mit der Betonung herausfinden. Und so funktioniert es auch bei anderen Verben der Richtung. Man kann »den Strand entlanglaufen« oder »am Strand entlang weiterlaufen«.

 

3.      Kurz mal wegmüssen

… heißt vollständig »kurz weggehen müssen.«

Wenn es um die übertragene Bedeutung geht, wird es zusammengeschrieben. Man kann ja nicht abwesend müssen; es fehlt ein Verb. Und da es fehlt, wird alles zusammengepresst: hinmüssen, wegwollen, vorbeimüssen, hinsollen, reindürfen, mithaben, …

Apropos haben. Man kann etwas »mithaben«, »dahaben« oder für jemanden etwas »übrighaben«. Wenn es um die wörtliche Bedeutung geht, wird es aber auseinandergeschrieben. Aber dazu mehr im nächsten Punkt.

 

4.      Für Leute etwas übrighaben, die für andere etwas übrig haben

Wenn man zum Beispiel für Geld nichts »übrighat«, bedeutet es im übertragenem Sinne, dass man Geld nicht leiden kann. Wenn es aber wortwörtlich um »übrig«, also im Sinne von »vorhanden sein«, geht, schreibt man es getrennt. Es geht dann darum, dass man Geld »übrig hat«.

Es geht noch einen Ticken differenzierter. Denn auch bei der wörtlichen Bedeutung, kann man das Wort sowohl auseinander-, als auch getrennt schreiben. Wird die Eigenschaft betont, steht das Adjektiv allein.

Mit »das Glas leer trinken« wird die Leere betont, während mit »leertrinken« der Akt des Leertrinkens beschrieben wird. Dasselbe gilt auch, wenn man, nachdem man das Glas leer getrunken hat, es »kaputt macht« … beziehungsweise »kaputtmacht«. Beides ist möglich, aber es wird empfohlen, die Adjektive und Verben auseinanderzuschreiben.

Es gibt auch Fälle, bei denen die Getrenntschreibung nicht optional, sondern Pflicht ist. Es heißt »den Motor warm laufen lassen«, weil man den Motor laufen lässt, bis er warm ist, und nicht den Motor läuft. Genauso wie, wenn man jemanden »nass rasiert«, da ist die Rasur nass ist, nicht der nasse Mensch als Resultat.

 

5.      So ein Scheiß

Ein Scheißhaus kann sowohl eine Toilette als auch ein Haus sein, über das man sich aufregt.  Während ein »scheiß Haus« ein blödes Haus ist, verhält sich ein »Scheißhaus« semantisch in etwa wie … äh, ein Saftladen. Man hat ja auch entweder ein »Scheißleben«, oder man findet, dass es ein »scheiß Leben« ist. Vielleicht wird der Bedeutungsunterschied deutlicher, wenn man es mit einem »riesigen Stein« und einem »Riesenstein« vergleicht.

Achtet beim Scheißen darauf, ob es sich um ein Adjektiv oder ein Substantiv handelt.

  • Ich finde den Film scheiße
  • Der Film ist große Scheiße

 

6.      Das mit der Groß- und Klein-, und Zusammen- und Getrenntschreibung

Wie sagt man es, wenn man ausdrücken möchte, dass man gestern den Staubsauger bedient hat? Ich saugte staub … Staub? Ich staubsaugte? Ich sog Staub (mit einem Strohhalm aus einem Glas). Ich staubsaugte den Boden oder saugte ich den Boden Staub? Hm. Nee. Zwei Objekte funktionieren nicht, also saugte ich etwas staub den Boden?

Staub. Äh, ich meinte, stopp! Lasst uns erstmal einen Schritt zurückgehen.

Wenn das Substantive eigenständige Rolle hat, bleibt es im Satz selbstständig. Klavier spielen. Rad fahren. Ski laufen. So weit alles klar.

Es gibt Wortzusammensetzungen aus Substantiv und Verb. Wenn sie zusammen eine andere Bedeutung bekommen, werden sie zusammengeschrieben.

  • maßregeln – man regelt nicht den Maß, sondern »tadelt«
  • preisgeben – man gibt nicht den Preis, sondern »offenbart« etwas
  • achtgeben – man gibt nicht die Acht (high five!), sondern »passt auf«
  • leidtun – ja, es wird tatsächlich zusammengeschrieben, genauso wie »guttun« (hat nichts mit guttural zu tun)

Nach diesem Prinzip kann man auch »staubsaugen« schreiben. Man saugt nicht den Staub, sondern man »staubsaugt« einen anderen Gegenstand, sei es den Boden. Natürlich kann man aber »Staub saugen« schreiben, wenn man tatsächlich den Staub meint.

Denn …

 

7.      Wenn das Große klein gemacht wird und dann wieder groß

Jetzt wird es seltsam: Als Infinitiv und als Partizip werden zum Beispiel »rückenschwimmen«, »bogenschießen«, »seilspringen«, »kopfstehen«, »eislaufen« klein- und zusammengeschrieben. Wenn man diese Wörter flektiert, passiert folgendes:

Sie ist rückengeschwommen. Sie schwimmt Rücken. Sie will bogenschießen. Sie schießt Bogen. Ein seilspringendes Mädchen. Das Mädchen springt Seil. Aaaaaaaaber: Ich laufe eis.

Warum das so ist?

Wahrscheinlich weil es Rücken, Bogen, Seil und sonstige Objekte benutzt werden, um eine Handlung zu vollführen – im Gegensatz zum Eislaufen, bei dem man auf dem Eis läuft und nicht das Eis läuft. Da heißt es »Sie läuft eis«.

Beim Staubsaugen gibt es, wie oben genannt, zwei Möglichkeiten; entweder »saugt man (den) Staub« oder man »staubsaugt (den Boden)«. Beim Kopfstehen verhält es sich wie beim Rückenschwimmen, wenn man tatsächlich einen Kopfstand macht. Wenn man im Sinne von »bestürzt sein« kopfsteht, »steht man kopf«.

Und warum heißt es »in Kauf nehmen«, aber »infrage stellen«?

Ähm, … schreibt stattdessen doch einfach »akzeptieren« und »zweifeln«?

 

Wenn ihr es bis hierhin geschafft habt, herzlichen Glückwunsch! Das ist schon richtiges Profiwissen.

Jetzt komme ich zu etwas einfacheren Dingen, die unbedingt richtig geschrieben werden sollten. Wenn ihr sie falsch macht, wirken die obigen sieben Klugscheißerpunkte ansonsten nicht so authentisch. 😉

Herzlichen Glückwunsch! Das ist schon richtiges Profiwissen!

 

 8.      Starke und schwache Verben

»Ich hing ab« versus »Ich hängte ab«

Wenn man selbst irgendwo hängt, handelt es sich um das starke Verb. Klar, denn wenn man am Hang hängt (hing), braucht man mehr Kraft, als wenn man ein Bild an die Wand hängt (hängte). Ich hängte das Bild auf, und das Bild hing schief.

Und somit bedeutet »Ich hing ab«, dass ich irgendwo chille … oder von etwas abhängig bin. Bei »Ich hängte ab« nehme ich einen Gegenstand herunter.

 

»Ich schleifte ihn« versus »Ich schliff ihn«

Wenn man etwas hinter sich herzieht, benutzt man das schwache Verb: »Ich schleifte den Diamanten ins Haus«. Wenn man den Diamanten zurechtschneidet und poliert, benutzt man das starke Verb: »Ich schliff den Diamanten.«

Es klingt unlogisch, weil man viel mehr Kraft dafür braucht, einen fetten Klunker hinter sich herzuziehen, als wenn man es bloß poliert? Dann denkt mal an euer Manuskript. Wofür braucht man mehr Stärke, um einen Stapel Blätter mit sich zu schleppen oder um an dem Manuskript zu feilen und zu schleifen? 😉

 

Wendete, wandte, wand und windete …

Wenn man die Richtung der Fortbewegung ändert, ist nur »wendete« möglich. Ich wendete das Auto, ich wendete den Pfannkuchen, ich wendete die Buchseite. Man kann auch die eigene Richtung ändern; somit »wendete ich mich an eine andere Person«. Dennoch ist es im letzten Fall eleganter, »wandte« zu benutzen. Ich wandte mich meinem Diamanten zu.

Passt bitte auf und verwechselt »wandte« nicht mit »wand« – auch wenn man in der gesprochenen Sprache gern mal das -te verschuckt. »Wand« ist das Präteritum von »winden«, wie wenn man sich windet, sich krümmt oder durch etwas hindurchschlängelt.

»Winden« gibt es aber auch als schwaches Verb, dessen Vergangenheitsform »windete« lautet – und das hat wortwörtlich was mit dem Wind zu tun: Es windete und regnete. Und wenn ich schon bei der Witterung bin; wenn Tiere die Witterung aufnehmen, kann man es auch mit »winden« ausdrücken. Der Hund windete mit gehobener Nase.

 

Winken, wank, gewunken?

Es heißt: »Ich hab meiner Oma zugewinkt.«

Ich gebe euch eine kurze Pause, damit ihr euer zerbrochenes Weltbild wieder zusammenkleben könnt.

*dumdidum*

Ja, es heißt wirklich »gewinkt«, auch wenn regional gewunken wird. Es stammt von dem Wort »schwanken« ab, das »schwanken, schwankte, geschwankt« konjugiert wird. Aber keine Sorge, »gewunken« steht im Duden, und man darf es so benutzen.

Sprache ändert sich permanent. Starke Verben werden zu schwachen, und schwache Verben zu starken. Ich verrate euch nicht, dass ich in meiner Kindheit noch Kuchen buk. Ich bin ja nicht alt oder so …

 

9.      Zahlen und Mengenangaben werden kleingeschrieben

Zahlen und Mengenangaben werden kleingeschrieben. Zahlen und Mengenangaben werden kleingeschrieben. Zahlen und Mengenangaben werden kleingeschrieben. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber Zahlen und Mengenangaben werden kleingeschrieben.

Sie fährt mit der Linie eins. Wir zwei (wir beide) finden schon nach Hause. Er isst für drei. Das Baby krabbelt auf allen vieren. Es ist fünf vor zwölf. Sie ist eins sechzig groß. Er ist Mitte siebzig. Er fährt mit achtzig durch die Straßen. Sie erreicht die neunzig.

Aber bei »Im Park sind Hundert Menschen« wird die Großschreibung empfohlen. Es handelt sich ja nicht um die Zahl hundert, weil es nicht darum geht, genau hundert Menschen abzuzählen.

Wenn es sich eindeutig nicht um die Zahl/Menge an sich handelt, wird es (das Wort muss natürlich ein Substantiv sein) großgeschrieben.

Ich nehme ein paar Duden-Beispiele:

  • Hier hält nur die Sechs (die Straßenbahn).
  • Sie hat eine Drei geschrieben (die Note „befriedigend“).
  • Das Lob der vielen oder Vielen (der breiten Masse) war ihr nicht wichtig.
  • Auf der Suche nach dem anderen oder Anderen (nach einer neuen Welt) sein.

 

10.      Rechtschreibung

Und nun zum Schluss das Allerschönste: Rechtschreibung!

Ihr wollt gar nicht raten, wie oft ich diese Wörter falsch geschrieben in Manuskripten finde (keine Aufforderung). Aber es ist auch wirklich leicht zu übersehen. Da glaubt man, sich auf die Rechtschreibprüfung verlassen zu können und schreibt freudig vor sich hin, und vergisst dabei, dass Word, Papyrus oder der Browser nichts unterkringelt, weil es diese Wörter tatsächlich gibt.

1. »Na ja« als Interjektion wird auseinandergeschrieben!!! »Naja« ist die Schlange!

2. Man versendet eine »E-Mail«. Achtet bei der »E-Mail-Adresse« auf die beiden Bindestriche! Email oder Emaille hingegen ist der Schmelzüberzug auf metallischen Oberflächen.

3. Vor dem Verlies saß ein Drache. Er verließ seinen Platz, und jetzt flattert dort ein Drachen.

4. Blindlings, rücklings, vorlings, meuchlings wird mit G geschrieben. Also -lings wie »auf die Art«. Auch wenn die Rechtschreibkorrektur es nicht unterkringelt, hat es nicht mit der Richtungsangabe links oder rechts zu tun. Wer rücklings liegt, liegt auf dem Rücken. Wer rücklinks liegt, der … äh, liegt linksrückend?

5. Gesichter sind mit Sommersprossen übersät, weil es von »säen« kommt. Die Version mit H (übersäht) ist nämlich der Konjunktiv II von »übersehen«.

6. Das H ist auch überflüssig, wenn man auf hoher See ist. Dort hängt man über der Reling und – ich muss meine Aussage mit der See revidieren – spuckt die Rehlinge (Pilze) wieder aus. Wenn man es nicht überlebt, kann man zumindest als Geist herumspuken. Also, wenn man ein Piken im Magen spürt, sollte man es ernst nehmen und nicht in den Pieken (unterste Räumen von Schiffen) sitzen bleiben.

7. »Um Gottes willen.« Es ist nicht der Wille(n), sondern man macht jemandem zuliebe, um jemandes willen. Es handelt sich bei »willen« um eine Präposition.

8. Babys, Hobbys, Ladys. Ich weiß, dass es für diejenigen, die viel mit der englischen Sprache zu tun haben, seltsam aussieht. Aber wir schreiben nun mal auf Deutsch, und die entlehnten Wörter werden grammatikalisch wie deutsche Wörter behandelt. Es gibt weder das Genitiv-Apostroph, noch wird Y zu IE gemacht. Ich hab keine Ahnung, wieso die Rechtschreibprüfung »Hobbies« und »Ladies« durchgehen lässt; das ist nämlich falsch.
Deshalb nenn ich mich auch Vickie und nicht Vicky.(Ergab nicht wirklich Sinn, oder?)

9. Band! Die (Musik-)Band, die Bands. Das (Maß-)Band, die Bänder. Der (Buch-)Band, die Bände.

10. Wo wir schon bei Büchern sind: Es ist eine Rezension, keine Rezession. Es heißt auch Verlage ohne Ä, nicht Verläge, und Trilogie ohne O, nicht Triologie. Wirklich. Auch wenn ich sage, dass man Rechtschreibprüfungen nicht vollständig vertrauen darf, hier dürft ihr das ruhig tun. 😀

 

Wenn ihr immer noch nicht genug habt, schaut euch ein paar Bildchen an:

6 Comments

  1. Cornelia E. 9. Dezember 2023

    Apropos “Es geht noch einen Ticken differenzierter”:
    Soweit ich weiß hat der Duden “den Ticken” noch nicht aufgenommen, obwohl sich viele öffentliche Personen jede Mühe geben, dieses Nichtwort zu “pushen”.

  2. Chris 25. September 2020

    Interessanter Beitrag. Was nicht zitiert ist, ist nicht zu beanstanden. Anderen Passagen stimme ich nicht immer zu.

    “Lektor*innen beeindrucken”: Beeindruckt mich negativ. Gendersternchen verweisen auf eine Ideologie, die die Rechtschreibung (sowie Lesbarkeit und Lesefreundlichkeit) ignoriert. Das generische Maskulinum hat seinen Sinn, auch wenn es heutzutage immer weniger anerkannt wird.

    „Autorenseele und Autor*innen“: Vielen Dank, dass der Schwachsinn noch nicht auf zusammengesetzte Wörter ausgedehnt wurde. Ist ein Beweis für die Gültigkeit des generischen Maskulinums. Es wird aber wohl nicht mehr lange dauern, bis die Ideologen sich auch hier ausmähren.

    “»So« (…) kann man mit »dermaßen« ersetzen, um zu prüfen, ob es auseinander[hier fehlt ein “-“] oder zusammengeschrieben wird.“ Inhaltlich korrekt. Eine Hilfe ist auch die Betonung. Andersrum gehts übrigens auch: Wenn man statt „solange“ oder „soweit“ auch „sofern“ sagen könnte und sich das grammatisch (nicht zwingend inhaltlich) gut anhört, wird es zusammengeschrieben.

    „Wir ihr merkt, kann man den Bedeutungsunterschied mit der Betonung herausfinden.“ Damit korrespondiert auch die Schreibweise. Oder sollte sie. Hier widerspreche ich dem Duden, der manchmal entgegen der Betonung auseinanderschreiben will.

    „Mit »das Glas leer trinken« wird die Leere betont, während mit »leertrinken« der Akt des Leertrinkens beschrieben wird. Dasselbe gilt auch, wenn man, nachdem man das Glas leer getrunken hat, es »kaputt macht« … beziehungsweise »kaputtmacht«.“ Stimme nicht zu. Lese ich „leer trinken“, dann betone ich auf „trink“. Kommt in der Realität nicht vor.
    „Es heißt »den Motor warm laufen lassen«, weil man den Motor laufen lässt, bis er warm ist, und nicht den Motor läuft.“ Nein. Auch hier hilft die Betonung weiter. Liegt der Akzent auf „lauf“, dann läuft er und läuft und läuft. Von Anfang an warm. Liegt die Betonung auf „warm“ (mit der Bedeutung warm werden), sollte man zusammenschreiben. Damit wird der Leser in die richtige Richtung gelenkt. Mag sein, dass der Duden das nicht kapiert hat. Der Differenzierung Auseinanderschreibung für wörtliche Bedeutung und Zusammenschreibung für übertragene Bedeutung kann ich indes etwas abgewinnen.
    „Genauso wie, wenn man jemanden »nass rasiert« …“ Hier stimme ich zu, denn die Betonung liegt auf „siert“.

    Der Lektor in mir kann es nicht lassen. Ich würde mich über die Entfernung diverser Flüchtigkeitsfehler freuen, auch wenn es „nur“ ein Internettext ist (an den ja leider geringere Ansprüche gestellt werden).

    „Wenn das Substantive eigenständige Rolle hat“ => „Wenn das Substantiv eine eigenständige Rolle hat“
    „Wahrscheinlich weil es Rücken, Bogen, Seil und sonstige Objekte benutzt werden …“ =>
    „Wahrscheinlich weil Rücken, Bogen, Seil und sonstige Objekte benutzt werden …“
    War das verschluckte „l“ Absicht? („… Sprache gern mal das -te verschuckt.“)

    „selbstständig“: Ja, die unsägliche Rechtschreibreform. Die Einführung des doppelten „st“, das früher die meisten Menschen nicht gesprochen haben, war unnötig.

    „Und warum heißt es »in Kauf nehmen«, aber »infrage stellen«?“
    Weil die offizielle Rechtschreibung alles andere als makellos ist. Ich setze mich darüber hinweg in der Hoffnung, dass sich „inkauf“ einmal durchsetzen wird. Da die Betonung auf „Kauf“ bzw. „Fra“ liegt, plädiere ich sogar für eine vollständige Zusammenschreibung: „inkaufnehmen“, „infragestellen“.

    „Aber bei »Im Park sind Hundert Menschen« wird die Großschreibung empfohlen. Es handelt sich ja nicht um die Zahl hundert, weil es nicht darum geht, genau hundert Menschen abzuzählen.“ Auch hier stimme ich dem Duden nicht zu. Die Differenzierung „Hundert“ = „ungefähr 100“ und „hundert“ = „genau 100“ halte ich für überkonstruiert. Ich kenne niemanden, der sie anwendet. Ich empfehle immer Kleinschreibung.

    „Da glaubt man, sich auf die Rechtschreibprüfung verlassen zu können“. Wer ist denn so naiv?

    „Babys, Hobbys, Ladys. Ich weiß, dass es für diejenigen, die viel mit der englischen Sprache zu tun haben, seltsam aussieht.“ Das ist prinzipiell Gewöhnungssache und eine Frage der Zeit. Allerdings anders als bei Tür (war mal Thür) oder Büro (war mal Bureau) kämpft man hier gegen die Dominanz des Englischen. An dieser Stelle sollte man stark bleiben.

    • Victoria Linnea 25. September 2020

      Es ist schwierig, mit der Zeit zu gehen. Sie verrinnt so … äh, dermaßen schnell. Diese neue Rechtschreibreform – also die vor knapp anderthalb Jahrzehnten – hat leider schon die Verlage (Publikums- und Klein-) infiltriert. Es wird mit der Dudenempfehlung gearbeitet. Früher hießt es Thür, heute heißt es Tür. Früher gab es nur den Lehrer. Ein bisschen weniger früher den/die Lehrer/in oder LehrerIn. Und heute wird die gute deutsche Sprache zerfetzt von Lehrer*innen oder – um es der Technik einfacher zu machen – Lehrer:innen.

      Aber danke für die lange Erklärung. Ich werde Autorenseele zu Autor*innenseele umändern.

    • Muriel 25. September 2020

      Chris … Um Himmels Willen. Chris.

  3. Mytch 28. Januar 2020

    Wie denn nu?

    So:
    Diese Erklärung erschien mir zu einfach und auch zu fatal!
    Ich verwarf diese Gedanken und ging wieder zurück
    zu den Beiden in den Garten.

    Oder so?
    Diese Erklärung erschien mir zu einfach und auch zu fatal!
    Ich verwarf diese Gedanken und ging wieder zurück
    zu den beiden in den Garten.

    Weil man das Wort “den” doch als Artikel betrachten kann.
    Oder sehe ich das falsch?

    • Victoria Linnea 30. Januar 2020

      Man schreibt es trotzdem klein. Das steht in den amtlichen Rechtschreibregeln unter §58 4:

      In folgenden Fällen schreibt man Adjektive, Partizipien und Pronomen klein, obwohl sie formale Merkmale der Substantivierung aufweisen.
      (4) Pronomen, auch wenn sie als Stellvertreter von Substantiven gebraucht werden, zum Beispiel:
      In diesem Wald hat sich schon mancher verirrt. Ich habe mich mit diesen und jenen unterhalten. Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen. Das muss (ein) jeder mit sich selbst ausmachen. Wir haben alles mitgebracht. Sie hatten beides mitgebracht. Man muss mit (den) beiden reden.

      Auch nachlesbar im Duden: https://www.duden.de/rechtschreibung/beide

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