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Mineral der Qual

Schaue ich mir den Recherchethread im Wortkompass an, dann erkenne ich das Bedürfnis vieler User, die korrekten Begriffe für zu finden, da in der Umgangssprache doch einiges fälschlich verwendet wird. Da es mir ebenso geht und ich ebenfalls dankbar für jede Hilfe bin, möchte ich ein paar Beiträge zu geowissenschaftlichen Begrifflichkeiten schreiben. Vielleicht helfen sie im Bereich Weltenbau oder noch besser, beim Schreiben des eigenen Projekts weiter. Wenn nicht, sind sie vielleicht dennoch informativ und unterhaltsam.

Das erste Thema, das sofort vor meinem inneren Auge aufploppte, war Steine, Gesteine, Mineralien, Edelsteine, Schmucksteine und Kristalle. Jedes für sich eigentlich eine Dissertation.

 

Was sind Steine?

Umgangssprachlich ist »Stein« ein Sammelbegriff, unter dem alles zusammengefasst wird: Gesteine, Mineralien und Edel-, Schmucksteine = Stein.

In den Geowissenschaften sind Steine aber nur Objekte, die größer als 6,3 cm und kleiner als 20 cm sind (Din-Maß, in anderen Ländern gelten andere Maße). Alles, was kleiner ist, ist Kies, Sand, Silt, Schluff und Ton. Alles, was größer ist, ist ein Block. Zu den Steinen gehören Gerölle, Geschiebe (von Gletschern vorwärts geschoben und abgelagert) und Grobsteine, sogenannter Schutt. Vereinfacht gesagt und nach der (Korn-)Größe geordnet unterscheiden wir:

Block > Stein > Kies > Sand > Silt > Schluff > Ton

Ein weiterer Begriff, der in diesem Zusammenhang geklärt werden muss, ist der Fels. Wer kennt nicht die Szenen, in denen sich ein Held hinter einem Fels versteckt, über einen Fels klettert, beinahe von einem erschlagen wird? Hier sieht man schon die vielfältige Anwendung des Begriffs. Ich musste lange grübeln, ob ich als Geowissenschatler »Fels« sage und … nein, ich nutze ihn fachlich nicht, wenn ich benutze beim Schreiben durchaus dieses Wort.

Was ist ein Fels?

  1. Ein Monolith wie bei »ein Fels wird auf den Helden geworfen«
  2. Eine blanke Gesteinsfläche wie eine Felswand, an der hochgeklettert werden kann

Zu 1.: Rein geowissenschaftlich sind Felsen schlicht Gesteine, Monolithen, d. h. Gesteine, die sich aus dem Muttergestein, Gesteinsverband herausgelöst haben und somit vom Antagonisten geworfen werden können.

Zu 2.: Eine umgangssprachliche Felswand würde ich als anstehendes Gestein oder Aufschluss bezeichnen. »Der Held lief über anstehendes Gestein« klingt aber sperrig. Simpel und stilistisch besser läuft der Held einfach über nackten Fels.

Einzig aus der Geomorphologie (Landformenkunde) kenne ich die Nutzung von »Fels« in Verbindung mit markanten Verwitterungsformen, wie Felssporn, Felskanzel, Felskuppel und ähnliches – aber nie alleinstehend als Fels.

Was sind Gesteine? 

Gesteine sind mehr oder weniger verfestigte Mischungen aus Mineralien. Vereinzelt können Gesteine auch Reste toter Tiere oder abgestorbener Pflanzen enthalten. Pflanzen können sogar eigene Gesteine bilden, z. B. Kohlen. Im Regelfall bestehen Gesteine aus Mineralien. Ein Granit besteht aus den Mineralien Feldspat, Quarz und Glimmer (»… das vergess ich nimmer!«).

Granit
Quelle: https://www.kristallin.de/Glossar/Granit.htm, verändert

Ein Basalt besteht grob gesagt aus Silikaten, Feldspat und Olivin (dazu gibt es keinen Lernspruch), und auch wenn man die einzelnen Mineralien, wie auch in anderen Gesteinen, nicht immer mit bloßem Auge erkennen kann (siehe folgende Abbildung) und die Gesteine deshalb recht homogen aussehen, sind sie dennoch aus Mineralien zusammengesetzt/aufgebaut.

Basalt, Sandstein, Löss, Kalkstein
Quelle: https://westfalen.museum-digital.de/, verändert

Was sind Minerale?

Ein Mineral ist ein homogener, natürlich vorkommender, anorganischer, kristalliner Festkörper. Kristallin bedeutet das die Atome geordnete Strukturen bilden (siehe folgende Abbildung).

Anordnung von Atomen
Quelle: Wikipedia. Hier nach Fluorit und Obsidian suchen. Ebenfalls verändert.

Tun sie das nicht, sind sie amorph wie bspw. Fensterglas. Auch natürliche Gläser (vulkanischer Obsidian) sind amorph. Sie sind keine Minerale und werden zu den Gesteinen gezählt, man nennt sie Gesteinsgläser oder einfach Vulkanite.

Was sind Schmucksteine, Edelsteine und Kristalle?

Der Begriff »Schmuckstein«, synonym mit »Edelstein«, entstammt einem Teilgebiet der Mineralogie, der Gemmologie. Es handelt sich auch hier um Minerale, die aber besondere Eigenschaften/Beschaffenheiten haben müssen, um in den Status »edel« erhoben zu werden. Besonders hochwertige, geschliffene Edelsteine nennt man Juwele – vor allem wenn sie in Edelmetalle eingefasst sind.

Was ist das Edle am Stein?

  1. Schönheit: Das liegt in erster Linie im Auge des Betrachters; beinhaltet aber eine besondere Reinheit der Farbe, intensiven Glanz und Transparenz.
  2. Seltenheit: Die meisten Menschen verbinden hiermit Diamanten, Saphire, Rubine. Die seltensten Mineralien sind aber … *theatralische Pause!!!* (ich musste googeln)

    Vickie: Ja??? *Spannung*
    Weltatlas: Tansanit, Painit, Benitoid, Taaffait, Musgravit usw. Die sind meist wertvoller/teurer als Diamanten, kennt nur keine Sau und sind schwer auszusprechen.
    Vickie: Aha, okay … Wenn ich »Tansanit« google, bekomme ich gleich Ringe vorgeschlagen. 3.000 Euro … geht ja.
    Weltatlas: Der 3.000-Euro-Ring ist sicher eine Fälschung. Ich habe gerade einen Ring mit einem Tansanit für ca. 50.000 Euro gefunden.
    Vickie: Dann lieber ein Auto für mich. Gut für die Umwelt!
    Weltatlas: Der Abbau von diesen Mineralien ist tatsächlich umweltschädigender als ein Auto.
    Vickie: Oh.

  3. Mohshärte > 7: Das Mineral kann Fensterglas einritzen. Also Vorsicht, wenn Ihr mit einem Diamantring stolpert und gegen Euer Fenster fallt. Die Härte sagt außerdem etwas über die Beständigkeit aus. Weiche Mineralien können im Alltag leicht beschädigt werden und gelten als minderwertig.

Der Begriff »Kristall« bedeutet zweierlei, zum einen bezieht es sich auf die Mineralstruktur und zum anderen auf geschliffenes Glas, d. h. die ganzen schönen Mitbringsel einer bekannten Firma, nennen wir sie Swarovski, sind keine Kristalle sondern schlicht geschliffenes, amorphes Glas. Vickie: Neeeeeein!!! 😱

Bezeichnung der Minerale:

Die Bezeichnung vieler Minerale war lange nicht einheitlich. Für blaue Minerale wurde bis in das 19. Jahrhundert hinein der Sammelbegriff »Saphir« genutzt, der wie der Rubin mineralogisch dem Korund zugehört. Erst Wissenschaftler wie bspw. Carl F. C. Mohs, Martin H. Klaproth, Carl von Linné systematisierten die Mineralien chemisch und physikalisch.

Viele der umgangssprachlichen Bezeichnungen befinden sich weiterhin in unserem Wortschatz und haben mit der wissenschaftlichen Bezeichnung nichts zu tun. Vor allem im Bereich der Heilsteine lassen sich interessante Bezeichnungen finden: Regenbogenbergkristall, Sonnenamethyst, Tibetanit, Lilienquarz. Außerdem versucht der Handel minderwertige Mineralien mit angehängten Ortsbezeichnungen eine gewisse Exklusivität zu geben, bspw. Mohave-Türkis, Bahia-Topas …

Aktuell leiten sich die Bezeichnungen der Mineralien wie folgt ab (mit Beispielen):

  1. Farbe: Albit → weiß, Rubin → rot
  2. Kristallform/Gefügeform: Granat → rund, Oolith → eierförmig
  3. Vergangener Sprachgebrauch: Gneis → funkelnd (Bergmannsprache aus den letzten Jahrhunderten), Opal – edler Stein (Sanskrit)
  4. Chemie: Calcit → Kalk, Titanit → Titan
  5. Persönlichkeiten: Goethit → J. W. von Goethe
  6. Orte (meist erste Fundstätte): Achat → Fluss Achat auf Sizilien, Türkis → Türkei (nicht die Farbe!)
  7. Aberglaube: Ägirin → nordischer Gott der Meere, Bergkristall → versteinertes Eis
  8. Eigenschaften: Anhydrit → Stein ohne Wasser, Jaspis → gesprenkelter Stein, Pyrirt → Feuer (Funkenschlag beim Anschlag)

Als Autoren könnt Ihr nun selbst entscheiden, wie tief Ihr in die Materie vordringen wollt, wenn Euer Protagonist ein Mineral findet:

»Dietmar öffnete die Truhe und fand einen hühnereigroßen Edelstein.«

»Dietmar öffnete die Truhe und fand einen hühnereigroßen Smaragd.«

Oder: »Dietmar öffnete die Truhe und fand eine Varietät des im hexagonalen Kristallsystem kristallisierenden Silikat-Minerals Beryll, so groß wie ein Hühnerei.«

Nichts gegen Edelstein!

Aber statt schwammig »Edelstein« oder fachsprachlich »Varietät eines hexagonalen Kristallsystem kristallisierenden Silikat-Minerals Beryll« zu schreiben, kann man die blumigen Begriffe wie Smaragd, Tigerauge, Goldfluss nutzen. Natürlich immer mit dem Hintergedanken, was man erreichen will. Lehne ich mich an Hard-Science-Fiction, Hard-Worldbuilding oder Hard-Geobla an, ist die streng mineralogische Systematisierung vielleicht atmosphärischer als schlicht »Stein« oder blumig »Smaragd«.

Zusammenfassung:

Es ist okay, fachlich nicht ganz korrekte Begriffe zu nutzen, wenn sie dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen und jeder weiß, was damit gemeint ist. So redet jeder über Fels, Stein, Kristall, Erde, Klima, Edelstein, Strand, Ton und tausend Wörter mehr, und jeder weiß was damit gemeint ist, auch wenn es fachlich falsch wäre. Das ist egal.

Eine Krise bekomme ich allerdings, wenn mir erzählt wird, dass eine Höhle ganz und gar mit funkelnden Edelsteinen ausgekleidet ist. Zwei Fragen: Woher kommt das Licht, dass sie funkeln? Befindet sich der Prota in einer Druse, dass er ganz und gar von Edelsteinen umgeben ist? Ich kenne keine Höhle, die ganz und gar aus Edelsteinen (d. h. Diamanten und aufwärts) besteht. Natürlich superatmosphärisch, wenn man ein Kinderbuch schreibt, aber in einem Roman, der auch sonst auf Korrektheit baut, wäre es fehl am Platz.

Man muss immer davon ausgehen, dass einige Rezipienten das, was sie lesen, im gewissen Rahmen für korrekt halten – manche Menschen beziehen auch ihr Wissen aus Romanen, bspw. wenn Lem eine Supernova beschreibt, erwartet der Leser Korrektheit. Falls man sich aufgrund des Genres und der Zielgruppe für Unkorrektheiten entscheidet, dann muss dem Leser das klargemacht werden.

Wie Ihr es auch macht, Hauptsache Euer Projekt verwirrt den Leser nicht und ist eine spannende Geschichte. Schaut, dass durch den richtig gewählten Begriff Euer Projekt gewinnt.

 

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